Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
neuerliche Beweis für die Vernachlässigung des Kindes erfüllte ihn mit Unverständnis, obwohl sowohl Eilin als auch Aurian mit diesem Arrangement ganz zufrieden gewesen waren. »Ich wollte doch nie mitgehen«, meinte das Kind. »Ich hätte bestimmt Windschwinge und die Tiere vermißt. Mir ging es hier immer prima.«
»Natürlich«, stimmte Eilin ihr zu. »Sie hatte und hat ja die Wölfe, die sie beschützen, und falls doch einmal etwas passiert wäre, hätte Windschwinge oder einer der anderen Vögel mir sofort Nachricht gebracht.«
Forral seufzte und gab auf. Was für ein törichtes, stures, unbelehrbares Paar diese beiden doch waren. Typische Magusch! Er tröstete sich damit, daß zumindest in diesem Jahr jemand da war, der das Kind verantwortungsbewußt im Auge behielt.
Also machte Eilin sich mit ihrem Pferd auf den Weg, einer weißen Stute, die Forral noch nie zuvor gesehen hatte, da die Magusch nur selten Zeit zum Reiten fand. Nach Eilins Abreise stellte Forral fest, daß es für Aurian und ihn im Tal mehr als genug zu tun gab. Manchmal gingen sie mit Windschwinge auf die Jagd. Außerdem mußten die Ziegen gemolken und die Fischfallen, die die Magusch an den Ufern des Sees angelegt hatte, regelmäßig kontrolliert und neu ausgestellt werden. Weit schlimmer war, daß das Unkraut im Garten sich die Abwesenheit der Magusch zunutze zu machen schien und über Nacht in die Höhe schnellte. Noch immer voller Ehrfurcht angesichts der Größe der Aufgabe, die Eilin sich gestellt hatte, fühlte Forral sich verpflichtet, ihr zu helfen, wo er nur konnte. Neben seiner Arbeit im Garten verbrachte er einen Großteil seiner Zeit in der Nähe des Turms, um die schlimmsten Winterschäden zu reparieren.
Aurian wurde das alles schon bald langweilig. Sie begann, ihm in der besten Absicht zu helfen, aber nach einer Weile stahl sie sich unausweichlich davon, angeblich, um ihre Tiere zu besuchen. Aber im Laufe der Zeit bemerkte der Schwertkämpfer, daß das Kind immer häufiger verschwand, und er begann, sich darüber zu wundern. Als er sie fragte, womit sie ihre Tage zubrachte, waren ihre Antworten vage und ausweichend. Da sie im Grunde ein ehrliches Kind war, war sie eine schrecklich schlechte Lügnerin. Es blieb nicht aus, daß Forral an den Tag denken mußte, an dem sie einander zum ersten Mal begegnet waren und er sie dabei erwischt hatte, wie sie auf der kleinen Lichtung mit Feuerbällen spielte.
Der Verdacht, daß sie es wieder tun könnte, erfüllte ihn mit tiefer Sorge. Er wußte bereits, daß sie Eilins Erdmagie geerbt hatte. Sie konnte mit den Tieren sprechen und beherrschte das Kunststück, junge Pflanzen wachsen zu lassen. Das war kein Problem. Eilin konnte ihre Bemühungen überwachen, und in der Erdmagie gab es kaum etwas, womit sie sich hätte verletzen können. Aber Geraints Gebiet war die Feuermagie gewesen, und die schwierige Beherrschung der gewaltigen Energien, die dazu nötig waren, machte die Feuermagie zur gefährlichsten der Maguschdisziplinen. Der Schwertkämpfer war besorgt. Hatte das Kind auch Geraints Fähigkeiten geerbt? War sie eine jener seltenen Magusch, denen alle Formen der Magie zur Verfügung standen? Wenn ja, dann wäre sie ohne eine ordentliche Ausbildung in ernster Gefahr – sie und alle, mit denen sie in Kontakt kam.
Forral dachte daran, Eilin bei ihrer Rückkehr seinen Verdacht anzuvertrauen, aber irgend etwas ließ ihn zögern. Eilin war besessen von ihrer Trauer um Geraint, und sie würde niemals mit einem Kind leben können, das dessen potentiell zerstörerische Kräfte geerbt hatte. Es wäre tragisch, wenn sie Aurian ablehnte, gerade nachdem sich ihre Beziehung zum Besseren gewendet hatte. Außerdem hatte er keinerlei Beweise. Solange das so war, hatte es keinen Sinn, die Dinge unnötig zu komplizieren. Er würde sich erst einmal selbst darum kümmern.
Als Aurian das nächste Mal davonschlüpfte, folgte Forral ihr. Er fürchtete, daß die Vögel ihn verraten würden, aber sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihre gefräßige Brut zu füttern, um an etwas anderes zu denken. Sobald sie den Turm hinter sich gelassen hatte, rief Aurian ihr Pony, und Forral lief fluchend zurück, um sein eigenes Pferd zu holen. Das Tier, das nun meist müßig auf der Weide stand, war fett und verspielt geworden; es kostete ihn keine geringe Mühe, das widerspenstige Tier zu bändigen. Als er dann Aurians Spur wiedergefunden hatte, wurde dem Schwertkämpfer klar, daß sie offensichtlich zu dem Wald
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