Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
kannst mit uns kommen.« Seine Stimme zitterte vor Hoffnung, sie könne sich immer noch und trotz allem, was er mit angesehen hatte, als unschuldig erweisen. O ihr Götter, kann er denn noch nicht einmal jetzt akzeptieren, wie die Dinge liegen? dachte Aurian verzweifelt.
Sara wandte sich mit einem Blick tiefster Verachtung an Anvar. »Du Narr«, höhnte sie. »Glaubst du wirklich, ich würde mit dir gehen – mit einem bloßen Diener – einem Sklaven –, wenn ich Königin sein kann?«
Anvar zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. »So«, sagte er sanft, »ich hatte also recht, dir nicht zu trauen. Du hast gelogen, als du sagtest, daß du mich noch immer liebst.«
Saras Lachen hallte laut und schneidend durch den Raum; mit grausamem Hohn begann sie zu sprechen: »Und du hast mir geglaubt, du Trottel, ganz wie ich es erwartet habe! Ich habe es so geplant, weil es meinen Zwecken diente und weil du es verdient hast – dafür, daß du mich einer Pfuscherin von Hebamme überlassen hast und diesem Tölpel von einem Händler. Mit dir kommen, wahrhaftig! Du bist wirklich mitleiderregend, Anvar. Geh und verkriech dich hinter den Röcken deiner Herrin. Sie weiß dich zu schätzen. Was mich betrifft, werde ich dich verachten bis zu dem Tag, an dem ich sterbe.«
Anvars Augen nahmen das harte, kalte Eisblau eines Winterhimmels an. »Warte!« Das Wort war wie ein Peitschenschlag, hart und befehlend. Sara drehte sich langsam um und starrte ihn erstaunt an.
»Da hast du einen schlimmen Fehler gemacht, Sara.« Anvars Ton war kalt und spöttisch. »In deiner Arroganz scheinst du eine wichtige Kleinigkeit vergessen zu haben. Xiang hat keinen Erben mehr – und er wird erwarten, daß du ihm einen neuen Sohn schenkst.«
Saras Gesicht erbleichte zu einem geisterhaften, grünlichen Weiß. Auf der Stelle begann sie zu zittern und schien in sich selbst zusammenzuschrumpfen, während ihr hochmütiges Verhalten zerrann. Plötzlich biß sie sich auf die Lippe und streckte flehend ihre Hände aus. »Anvar, ich …«
»Nein, Sara – diesmal nicht. Und niemals mehr. Du hast bekommen, was du dir wünschtest, und nun mußt du selbst sehen, wie du damit fertig wirst.« Anvars Stimme war wie Stahl. »Verschwinde, Sara. Geh zu dem König, den du so sehr wolltest. Und fang an, über eine Möglichkeit nachzudenken, wie du ihn übertölpeln kannst – so, wie du Vannor und mich übertölpelt hast. Aber du solltest dich besser beeilen!«
Saras Gesicht wurde häßlich vor Zorn. Sie zog den Kopf zurück wie eine Schlange und spuckte ihm ins Gesicht, bevor sie sich in einem Wirbel goldener Röcke umdrehte und Xiang folgte. Als sie hinauseilte, fiel Anvar auf die Knie, und sein Gesicht war eine Maske der Trauer. Aurian war sowohl verwirrt als auch überwältigt von seinem Gespräch mit dem Mädchen, aber sie wußte, daß dies nicht der richtige Augenblick war, um nachzufragen. Statt dessen eilte sie zu ihm hin, um ihn zu trösten, und ihr Herz krampfte sich bei der trostlosen Leere in seinen Augen zusammen.
Anvar riß sich von ihr los. »Bitte«, sagte er unglücklich, »laß mich allein.« Er wandte sich von ihr ab und barg sein Gesicht in seinen Händen. Aurian zog sich zurück, denn sie respektierte seine Gefühle. Als er Sara zurückgewiesen hatte, wäre sie beinahe geplatzt vor Stolz auf ihn, aber sie wußte, wieviel ihn seine Worte gekostet haben mußten. Sie setzte sich neben ihn auf den Boden und spürte nun auch, wie erschöpft sie selbst war.
Eine Hand fiel auf ihre Schulter. »Aurian!« Harihn stand über ihr, und sein Gesichtsausdruck war genauso kalt wie seine Stimme.
»Was?« seufzte sie und stand mit dem Gefühl, grausam mißbraucht worden zu sein, wieder auf. In Anbetracht der Tatsache, daß sie gerade sein Leben gerettet hatte, schien er nicht gerade überwältigt von Dankbarkeit. Harihn hatte die Fäuste geballt, und sein Gesicht war dunkelrot vor Zorn.
»Du verlogenes Miststück. Dank deiner Machenschaften habe ich heute den Thron verloren. Du undankbare Schlange! Wie konntest du es wagen, mir einzureden, dieser niedrige Sklave sei dein Ehemann?«
Aurian keuchte. Wie hatte er das herausgefunden?
»Beim Schnitter, dafür wirst du leiden!« Harihn griff nach ihr, um sie zu packen, hatte schon eine Hand zum Schlag erhoben.
»Laßt sie in Ruhe!« Anvar trat zwischen sie. »Sie hat Euch nicht belogen, Euer Hoheit. Ich bin ihr Ehemann.«
»Was!« Harihn stockte. »Du meinst … Es ist die Wahrheit?«
Aurians Erstaunen
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