Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
während Anvar aus dem Sattel glitt. Das Tier zitterte am ganzen Leib, und die Spitze eines seiner Hinterhufe berührte kaum den Boden. »Beim Blute des Schnitters! Sie lahmt.« Yazour untersuchte den zuckenden Huf. Das Entsetzen auf seinem Gesicht ging weit über jedes normale Bedauern hinaus.
»Was ist los?« Harihns Stimme klang hart über ihren Köpfen, als er seinen Hengst neben ihnen anhalten ließ.
Yazour machte ein grimmiges Gesicht. »Anvars Reittier hat sich verletzt.«
Harihn zuckte mit den Schultern. »Wirklich schade«, sagte er kühl. »Du weißt ja, was in diesem Fall zu tun ist.«
»Aber, Euer Hoheit …«
»Erledige das, Yazour.«
Der Krieger seufzte. »Es tut mir leid, Anvar«, sagte er sanft. »Wenn es irgendeine andere Möglichkeit gäbe …«
»Was meinst du damit?« Anvar war erschrocken über die Art, wie Yazour ihn ansah, als wäre er bereits tot …
»Das ist das Gesetz der Wüste.« Harihns Stimme war kalt und erbarmungslos. »Wir haben keine zusätzlichen Pferde – die letzten gingen an diese Freunde, die deine Aurian unbedingt mitnehmen wollte. Weil wir so wenig Wasser haben, können wir es dir nicht gestatten, uns auf dem Weg zur nächsten Oase aufzuhalten. Das Gesetz der Wüste besagt, daß wir dich zurücklassen müssen.«
»Was habt Ihr gesagt?« Niemand hatte gesehen, wie Aurian sich ihnen genähert hatte. Ihre Hand lag auf dem Heft ihres Schwertes. Sie zog ihren Schleier zurück, und ihre Augen glitzerten in einem tödlichen, stählernen Licht, als sie auf Harihn zuritt. »Wenn Ihr glaubt, ich würde Anvar hierlassen, damit er stirbt, dann habt Ihr Euch gewaltig geschnitten, Prinz.«
»Lady, halt dich da raus. Das Gesetz duldet keine Ausnahmen.« Harihn machte ein Zeichen, und ein Ring von Soldaten schloß sich mit gespannten Armbrüsten um die Magusch. »Willst du eines einzigen Mannes wegen gegen meine ganze Armee kämpfen?« fragte der Prinz sanft.
Aurians kalte Augen blitzten auf. »Mach nicht den Fehler, mir zu drohen«, knurrte sie. Shia, die neben ihr stand, unterstrich ihre Worte mit einem drohenden Fauchen. Die Magusch zeigte mit dem Finger auf den Prinzen. »Ich könnte Euch niederschlagen, bevor diese Bolzen Zeit hätten, mich zu erreichen. Wollt Ihr es Euch nicht lieber noch einmal überlegen?«
»Senkt eure Waffen«, rief Yazour mit herrischer Stimme. Die Soldaten gehorchten ihrem Hauptmann auf der Stelle.
»Wie kannst du es wagen!« fuhr Harihn ihn an.
»Er hat mehr Verstand als Ihr«, sagte Aurian und stieg vom Pferd. »Ich bin sicher, wir können dieses Problem auch ohne Gewalt lösen, Harihn. Anvar, laß mich einen Blick auf dein Pferd werfen.«
Anvar hielt das Pferd fest, während die Magusch mit vor Konzentration gerunzelter Stirn niederkniete, um den verletzten Huf zu untersuchen. »Hm«, murmelte sie sanft, »nichts zu sehen – aber was ist das da?«
Während Anvar zusah, begannen ihre Hände zu glühen, und ein schwacher, violett-blauer Strahlenkranz spannte sich über den Fuß seines Pferdes. Die Konzentration der Magusch war so tief, daß sie sich aus Aurian heraus nach außen auszudehnen schien und alle Zuschauer in ihren Bann schlug. Niemand rührte sich oder gab auch nur das leiseste Geräusch von sich. Gerade als der Druck unerträgliche Ausmaße angenommen hatte, hörte man ein knirschendes Geräusch, und aus der weichen, empfindsamen Sohle des Hufs glitt etwas in die Hand der Magusch hinein. »Da!« flüsterte Aurian der Stute zu. »So ist es besser. Und jetzt werden wir den Schaden beheben.« Die Aura flackerte und verschwand dann schließlich. Aurian richtete sich auf, wischte sich den Schweiß von der Stirn, und das Pferd stellte seinen Huf wieder auf den Boden – zuerst ganz vorsichtig, dann mit zunehmendem Vertrauen.
Ein Murmeln erhob sich unter den versammelten Soldaten. Aurian sah sich etwas in ihrer Hand an, und ihr Gesicht überzog sich mit zorniger Röte. Sie hielt Yazour den Gegenstand hin. Auf ihrer Handfläche lag ein kleiner Metallsplitter. »Die Spitze eines Dolches, wenn ich mich nicht irre«, sagte sie grimmig. »Jemand hat sie in den Huf hineingerammt, und jedesmal, wenn die Stute auftrat … Das arme Geschöpf muß furchtbare Schmerzen gelitten haben. Wer immer das getan hat, wußte, daß man Anvar hier zum Sterben zurücklassen würde, wenn sein Pferd nicht mehr laufen konnte. Das war kein Unfall – das war versuchter Mord!«
Yazours Gesicht war vor Zorn verzerrt. »Ich möchte mich entschuldigen, Anvar, daß
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