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Die Artefakte der Macht 01 - Aurian

Die Artefakte der Macht 01 - Aurian

Titel: Die Artefakte der Macht 01 - Aurian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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ihr Leben verwirkt, wenn sie die Berge hier verließ. Es gab keine Rückkehr für sie. Nachdenklich berührte sie ihre Wange dort, wo noch immer der Abdruck der Hand ihrer Mutter brannte, und erinnerte sich an die Grausamkeit in Schwarzkralles Augen. Das war genug. Rabe holte tief Luft, sprang von dem Sims und breitete ihre großen, schwarzen Schwingen aus, so daß die Luft darunter ihren senkrechten Sturz bremste. Dann stieß sie herab und umrundete wie eine Fledermaus auf der Jagd die im Schatten liegende Seite des zinnengekrönten Palastes, bevor sie endgültig ihr Zuhause und das Land ihres Volkes verließ.
    Der Flug durch den Schneesturm war weit schlimmer, als sie sich vorgestellt hatte. Sie konnte in den wirbelnden, weißen Wolken so gut wie gar nichts sehen. Der starke Wind zog und zerrte und rüttelte sie gnadenlos durch – mehrmals hätte er sie um ein Haar mit voller Wucht gegen die Mauern eines der vielen kunstvoll geschmiedeten Türme in der Stadt geschmettert. Wenn sie einen Augenblick Zeit gehabt hätte, um nachzudenken, hätte Rabe vielleicht Trost in der Erkenntnis finden können, daß ihre Flucht bei diesem Wetter gewiß unentdeckt blieb, aber sie brauchte jeden Funken ihrer Konzentration, um überhaupt in der Luft zu bleiben und nicht gegen irgendwelche Hindernisse zu krachen. Ihr Gefühl für die Richtung, in die sie flog, war hoffnungslos durcheinandergeraten, und sie konnte nur beten, daß sie geradeaus flog und nicht in einem Kreis, der sie schließlich in die Stadt zurückbringen würde – zu Schwarzkralle.
    Rabe war bis auf die Knochen durchgefroren. Es war ein unbekanntes Gefühl, entschieden unerfreulich und erschreckend. Ihre Ohren und Zähne schmerzten in dem eiskalten Wind, und ihre Flügel waren steif und reagierten nur langsam. Selbst ihre Gedanken wurden träge und wirr. Wie lange war sie schon unterwegs? Warum war sie eigentlich hier draußen in diesem tödlichen Sturm? Woher war sie gekommen, und wohin flog sie? Wieviel länger noch würden ihre schmerzenden Flügel sie in der Luft halten?
    Plötzlich traf Rabes linker Fuß auf etwas Hartes und Gezacktes. Er blieb hängen und verrenkte sich, so daß sie vornüberkippte und das Gleichgewicht verlor. Hilflos stürzte sie und rollte Hals über Kopf in einem Gewirr von Gliedmaßen und Flügeln bergab, wobei sie sich an den eisigen Felsen blaue Flecken und Schrammen holte, bis ihr Sturz endlich weiter unten in der Schneewehe ein unwürdiges Ende fand. Zu niedergeschlagen und erschrocken, um irgend etwas anderes zu tun, brach sie in Tränen aus.
     
    »Wo bin ich?« Rabe öffnete die Augen. Einen Augenblick lang benebelte Angst ihre Gedanken, aber sie war nicht umsonst die Tochter einer Königin. Sie holte tief Luft und zwang sich zur Ruhe, bevor sie sich ihre Umgebung ansah. Aber es gab nur wenig zu sehen. Ihr schmerzender Körper war eingeklemmt in eine schmale Felsspalte, und eine Barriere aus herangewehtem Schnee versperrte den Ausgang. Nach und nach kehrten ihre Gedanken zu der vergangenen Nacht zurück, und sie schauderte angesichts der Erkenntnis, daß sie dem Tod nur um Haaresbreite entgangen war. Sie hatte tatsächlich einen Berg gerammt! Zögernd streckte sie ihr Bein aus, um ihren verletzten Fuß zu untersuchen, voller Angst vor dem, was sie finden würde. Es war auch schlimm genug. Die Riemen ihrer Sandale schnitten ihr in das geschwollene Fleisch, und ihr Bein war schlimm zerschunden und aufgeschürft. Sie biß die Zähne zusammen und wappnete sich gegen den Schmerz; dann schmolz sie etwas Schnee in ihren Händen, um die Abschürfungen zu säubern. Außerdem würde der Schnee vielleicht auch die Schwellungen etwas abklingen lassen, und solange sie fliegen konnte, war sie nicht vollkommen hilflos.
    Rabe keuchte, als sie sich an ihren Sturz bei der Landung erinnerte. Ihre Flügel … Sie hatte nicht genug Platz, um sie in der Felsspalte ausbreiten zu können! Mit verzweifelter Hast begann sie, sich einen Ausweg zu graben, wobei sie mit ihren Händen große Brocken Schnee beiseite schaufelte. Jetzt erinnerte sie sich auch schwach, daß sie in diese Nische gekrochen war, instinktiv, auf der Suche nach einer Zuflucht vor dem Unwetter. Der Ausgang schien weiter entfernt zu sein, als sie in Erinnerung hatte, aber endlich gaben auch die letzten Zentimeter Schnee ihrem entschlossenen Angriff nach, und sie stand plötzlich im Freien.
    Mit Hilfe der Felsbrocken zog Rabe sich hoch und zuckte zusammen, als ihr verletzter Fuß den Boden

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