Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
waren noch zu hören.
»Aurian! Aurian!«
Die Atmosphäre im Lager war von einer ängstlichen Gespanntheit. Die Frauen und Kinder kauerten sich weit entfernt von dem finsteren Becken in einer Ecke zusammen, und vor ihnen standen bewaffnete Krieger, um sie zu beschützen. Eine Gruppe Bogenschützen hatte ihre Pfeile auf das stille Wasser gerichtet, bereit, beim ersten Zeichen eines Kräuselns der glatten Oberfläche zu schießen. Ein grimmiger Rat hatte sich am Feuer des Prinzen versammelt, und Harihn sah ängstlich von einem zum anderen. »Irgendein wildes Tier muß sie geholt haben«, beharrte er. »Was sonst hätte das sein können?«
»Sir, das Becken war leer«, protestierte Yazour. »Ich habe es gründlich durchsuchen lassen, und es gibt keinen Zugang unter Wasser. Außerdem gibt es kein Blut und keine Spur irgendwelcher Überreste von Aurian.«
»Nein!« rief Anvar. Die Tasse mit heißem Liafa, die Nereni ihm aufgedrängt hatte, ergoß sich über die Decke, die sie ihm um seine zitternden Schultern gelegt hatte. Yazour sah ihn entschuldigend an, und Nereni nahm mit tränenüberströmtem und von tiefem Mitleid erfülltem Gesicht seine Hand.
»Irgend etwas muß jedenfalls dagewesen sein«, beharrte Harihn mit einem nervösen Blick auf das Becken. »Was sonst hätte solche schrecklichen Schreie ausstoßen können? Und was ist, wenn es zurückkehrt? Müssen erst noch andere sterben, um dich zu überzeugen?«
»Es gibt keinen Beweis dafür.«
»Wir könnten noch einmal suchen.« Eliizar und Yazour, die beide vollkommen durchnäßt waren und in ihren Decken zitterten, sprachen gleichzeitig, aber Anvar hörte den Zweifel in ihren Stimmen. Harihn schüttelte den Kopf und stand auf. »Es ist sinnlos. Sie ist gewiß tot. Bereite alles zum Aufbruch vor, Yazour. Wir können es nicht wagen, hier noch länger zu verweilen.«
»Du Mistkerl!« Anvar schleuderte seine Decke weg, machte einen Satz über das Feuer und versetzte dem Prinzen einen Kinnhaken. Der Schlag, hinter dem das ganze Gewicht seines Körpers lag, warf Harihn der Länge nach zu Boden. Anvar setzte sich rittlings auf den Prinzen und schlug in wilder Wut auf ihn ein. »Feigling!« schrie er. Er spürte zwar die Schläge auf seinem Körper, aber sein Zorn machte ihn unempfindlich für die Schmerzen. Nach all den Kränkungen und Beleidigungen Harihns, nach seiner Arroganz und Feindseligkeit plante er jetzt auch noch, zu fliehen und Aurian ihrem Schicksal zu überlassen. Anvar hätte ihn am liebsten in den Boden gestampft. Er fühlte starke Arme um sich, die ihn von dem Prinzen wegzogen. Anvar kämpfte gegen diese neuen Gegner mit ungebremstem Zorn und widersetzte sich ihren Versuchen, ihn zu Boden zu werfen, bis ein Guß kaltes Wasser ihm ins Gesicht schlug. Der Schreck brachte ihn sofort wieder zu Verstand. Eliizar und Yazour hielten ihn fest. Nereni stand über ihm, eine tropfende Schüssel in den Händen.
Anvar blinzelte, und sowohl Wasser als auch Tränen liefen ihm aus den Augen. »Ich dachte, ihr wärt meine Freunde«, murmelte er.
»Das sind wir auch, Anvar«, erwiderte Yazour traurig. »Aber der Prinz hat, so leid mir das tut, recht.« Er zeigte mit der Hand auf eine kleine Gruppe von Kindern, die sich weinend und zu Tode erschrocken aneinandergeschmiegt hatten. »Willst du auch diese Kinder opfern?« fragte der Krieger sanft.
»Ich werde Aurian nicht allein lassen!«
»Das wirst du ganz bestimmt nicht!« Harihn sah ihn finster an, und Anvar stellte mit Befriedigung fest, daß sein Gesicht bereits anschwoll. Der Prinz holte bösartig aus und versetzte ihm einen Tritt unter die Rippen, so daß Anvar sich vor Schmerzen krümmte.
»Sir!« Yazours Stimme erhob sich scharf, angewidert über den feigen Angriff. »Er wird sterben, wenn wir ihn hier zurücklassen!«
»Du hast deine Befehle, Yazour. Dafür, daß er mich angegriffen hat, verdient dieser Flegel den Tod. Anvar wird hier zurückgelassen.«
»Euer Hoheit, dieser Mann hat soeben schreckliches Leid erfahren. Ihr könnt ihn unmöglich für sein Verhalten zu einem solchen Zeitpunkt verantwortlich machen.«
»Wenn es Euch lieber ist, kann ich ihn ja auf der Stelle hinrichten lassen.« Harihn wischte sich das Blut aus den Mundwinkeln und funkelte den grimmig lächelnden Anvar giftig an.
»Darauf hast doch gewartet, Harihn! Nun, wenigstens hast du jetzt, was du die ganze Zeit wolltest – aber nun ist es zu spät. Du magst mich zwar loswerden, aber Aurian wirst du jetzt niemals mehr
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