Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
vor kurzem, als seine Entdeckung der Magie sie einander so nahe gebracht hatte, hatte er sich niemals eingestanden, wie tief seine Gefühle für Aurian waren, und jetzt war es zu spät. Es hatte alles vor langer Zeit begonnen, an jenem wunderbaren Sonnenwendabend, als sie zusammen mit Forral gefeiert hatten. Aber Anvar hatte damals die Wahrheit vor sich selbst verborgen.
Ich wußte in meinem Herzen, daß sie nicht für mich bestimmt war und daß sie es niemals sein würde. Aber Aurians Liebe zu Forral, mein eigener Haß auf die Magusch und dann die Rückkehr von Sara – all das hat es mir ermöglicht, vor der Tatsache wegzulaufen, daß ich sie liebe. Wie konnte ich nur so blind sein? Selbstschutz, dachte er kläglich. Aurians Liebe zu Forral war ungebrochen, so lange er lebte, und so ist es auch nach seinem Tod geblieben. Ich wußte, daß sie niemals einen anderen Mann wollen würde. Und nun werde ich sie nie mehr wiedersehen. Niemals mehr werde ich den Trost ihrer Freundschaft spüren, die Freude ihrer Gegenwart. Sie ist tot.
»Das ist sie nicht!« Die Stimme gehörte Shia.
Anvar hob durch heiße Tränen hindurch seinen Blick. »Was hast du gesagt?«
»Denk doch einmal richtig nach, Mann. Ich weiß, daß du das nicht besonders gut kannst. Aber du bist von derselben Art wie sie, so daß ich mit dir sprechen kann, wenn ich das möchte. Befreie dich von deiner haltlosen Trauer und denk nach. Aurian ist meine Freundin, und unsere Gedanken sind miteinander verbunden. Wenn sie tot wäre, wüßte ich davon. Aber wenn sie lebt, warum kann ich sie dann nicht erreichen?«
»Große Götter, du hast recht!« Hoffnung flackerte wie ein Sonnenstrahl in Anvars Brust auf. »Sie hat mir erzählt, daß die Magusch es immer wüßten, wenn einer von ihrem Blute stirbt. Wenn sie also tot wäre –«
»Dann hättest du es auch gespürt«, brachte Shia den Satz für ihn zu Ende.
»Aber wenn wir sie nicht erreichen können, wo ist sie dann?«
»Bleib ganz ruhig, Mann. Und hör mir zu.« Shia setzte sich und wand ihren Schwanz ordentlich um ihre Pfoten. »Als ihr zwei da in dem Zelt wart und diese Sachen gemacht habt –«
»Das haben wir nicht!«
»Ach, doch nicht diese Sachen, du Dummkopf.«
»Oh! Du meinst die Magie.«
»Ich bekomme dann immer ein ganz unangenehmes, prickelndes Gefühl in meinem Pelz.« Ihr Schwanz zuckte. »In dieser Höhle habe ich es auch.«
»Dann war es kein Tier? Du glaubst, Aurian ist von Magie gefangengenommen worden? Aber wir haben dieses verfluchte Becken wieder und wieder durchsucht und überhaupt nichts gespürt.«
»Wenn Aurian etwas gespürt hätte, hätte sie sich dann gefangennehmen lassen?« fragte Shia spitz.
»Was immer es ist, es muß also noch da sein.« Anvar raffte sich mühsam auf und lief los. Als er am Becken angekommen war, stürzte er sich hinein. Aber was genau suchte er da eigentlich? Irgendeine verborgene Öffnung vielleicht? Er hielt inne, und während er bis zur Taille im Wasser stand, sah er sich wild um. Es konnte nicht unter der Oberfläche sein – sie hatten das Becken von einem Ende zum anderen abgesucht. Dann wurde es ihm plötzlich klar. Wo war der offensichtliche Ort, um eine Tür anzubringen? In einer Wand natürlich. Seine Augen wanderten automatisch zu der glatten, flachen Oberfläche, wo der Wasserfall hinuntertröpfelte.
»Anvar! Was machst du da?« Die anderen hatten sich am Rand des Beckens versammelt. Ohne ihnen Beachtung zu schenken, watete Anvar durch das Wasser bis hin zu der Wand und begann, sie mit beiden Händen abzutasten.
»Ich habe es gefunden!« Anvars Triumphgeschrei ging in einem schrillen, angstvollen Kreischen unter, und sein Jubel verwandelte sich in Entsetzen, während der Stein unter seinen Händen zu schmelzen begann, klebrig und bösartig wurde und ihn wie Treibsand in sich hineinzog. Das Zeug hatte schon seinen Kopf und seine Schultern verschlungen, so daß er keine Luft mehr bekam. In Panik schlug er um sich, und dann konnte er plötzlich wieder frische Luft atmen, obwohl er in der ungeheuerlichen Schwärze, die vor ihm lag, nichts sehen konnte.
»Aurian?« rief er. Er bekam keine Antwort. Aber sein Körper hatte das enge Portal beinahe durchquert. Er spürte eine glasartige Oberfläche unter seinen Fingern und klammerte sich verzweifelt daran fest, während er versuchte, sich vorwärts zu ziehen. Dann packte etwas von hinten seine Füße in einem eisernen Griff. Etwas zog ihn zurück. »Nein!« heulte er. Er war so nahe – er
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