Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
schnell wie möglich wieder zurück.«
»Warte!« Nereni rannte zu ihm hinüber und planschte in ihrer Hast durch das Wasser. »Hier.« Sie warf ihm ein Bündel zu. »Hier ist ein Wasserschlauch und etwas zu essen – das arme Mädchen muß ganz ausgehungert sein –, und ich habe auch ein Kleid für sie eingepackt und ihre Stiefel – und vielleicht wird sie das hier auch brauchen.« Sie reichte ihm Aurians Schwert und den Stab. »Beeilt euch«, drängte sie ihn und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuß auf die Wange zu geben. »Beeil dich, Anvar, und kommt gesund zurück.«
Es war schwierig, sich einen Weg durch den bösartigen Fels zu bahnen, ohne daß der Zauber das Portal für sie öffnete. Shia, der sich vor Ungeduld die Nackenhaare aufgestellt hatten, ging als erste, und Anvar und Bohan halfen ihr, indem sie von hinten schoben. Dann folgte Anvar; er spürte die gewaltigen Kiefer der Katze an seinem Kragen, als sie ihn hindurchzog. In der Kammer, in die sie gelangten, war es pechschwarz – selbst die Nachtsichtigkeit der Magusch half da nicht weiter. Anvar drehte sich um und griff nach Bohans Hand, und Shia half ihm, den Eunuchen hindurchzuziehen. Bohan hatte eine Fackel mitgebracht, aber als er sie entzündete, gab die Flamme kein Licht.
»Was, um alles in der Welt, ist das …« ächzte Anvar. Er konnte das Licht in der Luft flackern sehen wie einen bleichen, körperlosen Geist, aber das war auch alles. Es beleuchtete absolut gar nichts.
»Magie!« fauchte Shia angewidert. »Mach du irgendwie Licht!«
Anvar seufzte, Feuermagie war nicht gerade seine Stärke, aber mit ungeheurer Konzentration gelang es ihm, eine ziemlich zittrige Kugel Maguschlicht zu formen – und er fiel schreiend zu Boden, als die Kammer sich plötzlich mit einer Helligkeit füllte, die einem die Augen versengte.
»Mach es aus!« brüllte Shia gequält. Anvar löschte sein Licht; seine Augen tränten, und rote und grüne Flecken schienen vor ihm zu tanzen. Er raffte sich auf, nur um gleich wieder zu Boden zu fallen, als die ganze Kammer sich mit einem gewaltigen Aufschrei zu bewegen begann und mit furchterregender Geschwindigkeit nach oben jagte.
Als Anvars Blick wieder klar wurde, sah er, daß das Gewölbe jetzt von einem sanften Glühen erleuchtet wurde, das von den Wänden selbst auszugehen schien. Die Wände! Seine Gedanken überstürzten sich. Er befand sich in einem hohlen Edelstein! Überall um ihn herum tauchten unendlich viele Bilder von ihm selbst auf, von Shia und Bohan. Wenn er sich bewegte, tanzten die Bilder auf und ab, bis ihm ganz schwindlig wurde vor Verwirrung. Es war, als wäre er selbst ebenfalls ein Teil der Bilder, als würde seine Seele, ja sein ganzes Selbst in die Wände hineingesogen. Neben ihm stieß Shia ein unglückliches Wimmern aus. Es war das erste Mal, daß er bei der großen Katze ein Anzeichen von Furcht entdeckte. »Es ist alles gut.« Er versuchte, überzeugend zu klingen. »Bleibt ganz still liegen und schließt die Augen. Wir werden irgendwo hingebracht – vielleicht zum Berggipfel. Es wird sicher besser, wenn wir oben angekommen sind.«
»Wenn ich den in die Krallen kriege, der dieses Ding hier gemacht hat!« murmelte Shia zornig. Nachdem sie das gesagt hatte, begann Anvar tatsächlich zu überlegen, wer wohl die Schöpfer dieses seltsamen Gebildes sein mochten. Das hier lag weit jenseits der Kräfte seines eigenen Maguschvolkes. Aber mit wem – oder mit was – hatte er es hier zu tun? Und was hatten sie mit Aurian gemacht?
»Also, wie kommen wir hier wieder raus?« Genau wie Anvar es vorhergesehen hatte, kam die Bewegung schließlich vibrierend zum Stillstand. Er sah sich um: Die Bilder, die sich auf allen Seiten bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schienen, verwirrten ihn. Dann sah er es – den bleichen, bläulich schimmernden Flecken Maguschlicht, der den Bereich markierte, in dem sein Bannzauber wirkte. Er stemmte sich auf die Knie und streckte versuchsweise die Hand danach aus. Zu seiner Erleichterung wirkte der Zauber noch immer, und seine Hand ging mühelos durch die Wand des Edelsteins.
»Laß mich vorangehen.« Shia drängte sich an ihm vorbei. »Wenn irgend jemand da draußen ist, dann werde ich mich um ihn kümmern.«
Sie traten auf den flachen, kahlen Felsen, der im Halbdunkel einer anderen Höhle lag. Anvar warf einen Blick zurück und sah eine unscheinbare Wand aus poliertem Stein, und nur das verräterische Glimmen seines Zaubers markierte den Punkt
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