Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
hineinzurennen und vor der Furcht zu fliehen, die ihn zu verzehren drohte. Unter größten Anstrengungen gelang es Vannor, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ruhig, dachte er. Beruhige dich, du Narr! Was hätte Parric in dieser Situation getan? Zunächst einmal hätte er sich nicht verirrt – aber das war kein Trost.
Er blieb stehen und nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche, wobei er wünschte, sie enthielte den feurigen Alkohol, den er zu Hause hatte. Aber was jetzt? Er konnte warten, bis der Nebel sich hob oder bis die Dämmerung kam, was immer von beiden früher geschehen mochte; oder er konnte versuchen, seine Schritte zurückzuverfolgen, in der Hoffnung, daß er irgendwo über seine Leute stolperte. Er wußte, das vernünftigste wäre, einfach abzuwarten, aber die Kälte ging ihm bis auf die Knochen, und die Untätigkeit erzürnte ihn und zwang seinen Verstand zu nutzlosen Vorstellungen. War das ein Geräusch? Da drüben? Oder dort? Waren es seine Leute? Oder der Feind? Wieder und wieder war er nahe daran, irgendwelchen eingebildeten Geräuschen hinterherzulaufen, obwohl ihm der gesunde Menschenverstand sagte, daß er damit nur riskierte, sich auf diesen endlosen Mooren endgültig zu verirren. Am Ende waren seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt, und er gab auf. Besser sich weiterzubewegen, beschloß er; er wollte versuchen, seinen Weg zurückzuverfolgen. Zumindest mußte ihn das noch näher an seine Leute heranbringen. Also drehte er sich vorsichtig um und blickte zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. Dann machte er sich durch den Nebel auf den Weg.
Verflucht und verdammt! Die Neigung des Bodens unter seinen Füßen und der Druck in seinen Oberschenkeln waren keine Illusion. Eine Zeitlang war Vannor wieder bergauf gegangen, einen Hügel hinauf, der weit steiler war als derjenige, den er zuvor erklommen hatte. Wie konnte das sein? Er war doch so vorsichtig gewesen! Entsetzt und angewidert über sich selbst, ließ der Händler sich fallen und legte seinen Kopf in die Hände. Es hatte keinen Sinn. Vielleicht konnte er klarer denken, wenn er sich ein wenig ausgeruht hatte.
Vannor setzte sich mit einem Ruck auf. Es war noch immer neblig, aber um ihn herum schimmerte ein trübes, graues Licht, und er konnte ein paar Meter von sich entfernt gelblichen, vertrockneten Rasen erkennen. Er mußte eingedöst sein. Dann hörte er wieder das schwache Geräusch, das ihn geweckt hatte. Von irgendwoher auf den Hügeln über ihm erklangen Kampfgeräusche, die durch den Nebel bis zu ihm herunterdrangen. Die Furcht um seine Leute krampfte ihm den Magen zusammen, und Vannor erhob sich taumelnd und rannte mit gezücktem Schwert den Abhang hinauf.
Der steile Hang schien endlos zu sein, aber die Kampfgeräusche wurden in seinen Ohren immer lauter. Endlich sah Vannor verschwommene, dunkle Schatten vor sich. Die Entfernung war trügerisch im Nebel, und er war mitten in dem Tumult, bevor er noch recht wußte, wie ihm geschah. Bäume! Dank den Göttern! Es gab nur einen Ort auf diesem grimmigen Moor, an dem Bäume wuchsen. Er mußte in der Nähe des Abhangs zum Tal hin sein, und er konnte deutlich den Kampf vor sich hören, dessen Geräusche immer noch ungemindert waren. Also warf er einen Arm in die Höhe, um sein Gesicht vor dem Gewirr federnder Äste zu schützen, und zwängte sich durch die Bäume hindurch.
Vannor schob alle Vorsicht beiseite und bahnte sich ungeachtet der Gefahr einen Weg durch das Unterholz, bis er schließlich auf eine Lichtung stieß, wo lautes Kampfgetümmel herrschte.
»Halt, Vannor – Verräter und Gesetzloser!« Die Stimme war hart. Vannor blieb stehen und senkte den Arm, der ihm die Sicht versperrte. Von den Bäumen aus kam eine ringförmige Kette unrasierter Söldner auf ihn zu, die bis an die Zähne mit blankem Stahl bewaffnet waren.
»Laß dein Schwert fallen!« Der Kreis teilte sich, und Angos trat vor, mit bösartiger Belustigung auf dem Gesicht. »Was für ein Rebell«, höhnte er. »Du hattest nie eine Chance, du Narr.« Beinahe wie von selbst fiel das Schwert aus Vannors tauber Hand. Er hatte versagt. Parric hatte sich geirrt, als er ihm vertraute. Im Wald wurden die Kampfgeräusche leiser und hörten schließlich ganz auf. Einer nach dem anderen wurden die Rebellen auf die Lichtung getrieben – ihre Anzahl war geringer als zuvor, wie der Händler mit sinkendem Mut bemerkte. Man hatte ihnen die Hände auf dem Rücken gefesselt, und sie wurden nun gezwungen, auf dem
Weitere Kostenlose Bücher