Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
tun zu können.
Als er ihren gemeinsamen Treffpunkt an der alten Steinbrücke jenseits des Stadtrandes erreichte, wartete Sara schon auf ihn. Ein dünnes Sommerkleid umspielte ihren zarten, geschmeidigen und schlanken Körper, und ihr offenes, langes, goldenes Haar erinnerte an die Strahlen der Sonne. Anvar lief mit klopfendem Herzen auf sie zu, aber als er ihr Gesicht sah, blieb er betroffen stehen.
»Was ist denn los, Liebste?« Anvar legte seinen Arm um sie und versuchte, seine Enttäuschung und Verletzung darüber zu unterdrücken, daß sich ihr Körper versteifte und ihre Augen die seinen mieden.
»Ich bin schwanger. Ich bin schwanger, Anvar!«
»Aber das ist doch wunderbar!« Ihre Worte schockierten ihn zwar, aber dennoch überlief Anvar eine heftige, überwältigende Welle von Stolz.
Mit wilden Blicken drehte sich Sara zu ihm herum. »Wunderbar?« schrie sie. »Was ist daran wunderbar, du Idiot? Was wird Vater sagen? Das ist alles deine Schuld!« Tränen rannen ihr die Wangen herunter. »Was soll ich bloß machen?«
Anvar führte sie das grasbewachsene Ufer zum Fluß hinunter, ließ sie sich vorsichtig setzen und legte den Arm um sie! »Mach dir keine Sorgen, Sara«, sagte er. »Ich werde mit deinem Vater sprechen. Ich verspreche dir, es wird alles gut werden. Es wird ein wenig Geschrei bei dir und bei mir zu Hause geben. Es wird gesagt werden, daß wir etwas vorsichtiger hätten sein können und daß die Leute über uns reden würden. Aber das wird alles vorübergehen. Unsere Familien wissen, wie die Dinge zwischen uns stehen, und sie haben es immer gebilligt. Wir werden unsere Zukunftspläne eben etwas vorverlegen müssen, das ist alles.«
»Aber ich wollte noch nicht heiraten! Ich hatte gehofft, daß … Ich meine, ich – ich habe noch nicht gelebt!«
Saras Worte verletzten ihn tief. Anvar starrte sie an; ihm wurde plötzlich sehr kalt. »Aber ich habe gedacht, du wolltest mich heiraten«, sagte er. Er holte tief Luft. »Sara, hast du deine Meinung geändert?« In ihren Augen sah er ein kurzes Aufflackern von Panik.
»Nein!« sagte sie schnell. »Nein – sieh mal, Anvar, es tut mir leid. Ich habe es nicht so gemeint. Ich bin einfach völlig aufgelöst, das ist alles. Und ich habe Angst.« Sie sah aus ihren großen violetten Augen zu ihm auf. »Anvar, bitte. Ich – ich brauche dich.«
Als sie sich in dieser Nacht liebten, war Sara von einer fast verzweifelten Wildheit. Wieder und wieder verlangte sie nach ihm, als wolle sie mit dem Akt körperlicher Liebe ihre Befürchtungen auslöschen. Anvar hatte nichts dagegen einzuwenden. Er glaubte, sie zu verstehen, und außerdem machte die Tatsache, daß seine Liebste jetzt ein Kind von ihm unter dem Herzen trug, sie um so kostbarer für ihn.
Als er am nächsten Morgen kalt und steif und durchfeuchtet vom Tau aufwachte, war es schon spät, und im grellen Licht des Tages begann er sich nun ebenfalls zu sorgen, was ihre Familien wohl sagen würden. »Weißt du«, sagte er zu Sara, »warum kommst du nicht jetzt gleich mit mir, damit wir mit meiner Mutter sprechen können. Es ist am besten, wenn wir ihr die Neuigkeit als erster mitteilen.«
Sara biß sich auf die Lippen. »Muß ich das? Kannst du es ihr nicht erzählen?«
»Nein.« Anvar drückte ihr fest die Hand. »Wir müssen es ja früher oder später doch tun. Komm mit – ich bin schon spät dran, und Mutter wird den Laden allein aufmachen müssen. Sie schafft es nie, den verdammten Ofen anzustecken.« Er machte sich – mit einer widerwilligen Sara im Schlepptau – eilig auf den Weg.
Als sie die Arkaden erreichten, hatte sich bereits eine Menge ungeduldiger Kinder vor ihrem Laden versammelt, und Anvar und Sara mußten sich mit der Schulter ihren Weg zur Ladentür bahnen. Als sie eintraten, sah Anvar Ria inmitten eines wüsten Haufens von Holzspänen und Zunder sitzen; wie gewöhnlich hatte sie ihre liebe Not damit, das Feuer im Ofen zu entzünden.
Was als nächstes geschah, grub sich für immer in Anvars Gedächtnis ein, um ihn wieder und wieder in seinen schlimmsten Alpträumen heimzusuchen. Als sie durch die Ladentür kamen, nahm seine Mutter gerade die Öllampe vom Regal und schüttete sie über dem Brennholz aus. »Nein!« schrie er, aber es war zu spät. Ria schlug einen Funken, und der Ofen explodierte in einer einzigen Stichflamme. Eine Feuerwand schloß Ria ein, ihr Haar und ihre Kleider brannten lichterloh.
Bis zum Ende seiner Tage hatte Anvar nicht die geringste Vorstellung, wie es zu
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