Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
sich selbst davon zu überzeugen, daß es sich so verhielt.
»Bist du dir sicher, daß du heute morgen fechten willst?« Maya klang besorgt. »Wenn man müde ist, macht man leicht Fehler, weißt du.«
Aurian blieb abrupt stehen. »Großer Chathak, das hatte ich ganz vergessen!«
»Wundervoll«, sagte Maya trocken. »In diesem Jahr hat Forral dich vor allen anderen aus der Garnison als seinen Partner bei dem Demonstrationsgefecht für unsere frischen Rekruten ausgewählt, und du vergißt es. Es ist eine Ehre, die nur dem besten Kämpfer des Standorts zuteil wird. Kein Wunder, daß dir solch eine Kleinigkeit entfallen ist!«
»Oh, sei still Maya!« wehrte sich Aurian.
»Die ganze Nacht aufzubleiben hat jedenfalls nichts an deiner Muffeligkeit in den frühen Morgenstunden geändert!« neckte Maya sie; dann wurde ihr Gesicht ernst. »Es tut mir leid, Aurian. Ich spüre, daß dich etwas quält. Möchtest du vielleicht darüber reden? Wir haben jetzt etwas Zeit. Forral hat wieder verschlafen.« Sie verzog das Gesicht.
Aurian seufzte. Das Mitgefühl ihrer Freundin ließ sie beinahe versucht sein, all ihre Sorgen auszusprechen. Es kostete sie große Anstrengung, sich zusammenzunehmen. »Danke, Maya. Aber es ist etwas, mit dem ich allein fertig werden muß«, sagte sie. »Doch wenn uns noch etwas Zeit bleibt, dann gäbe ich alles für etwas Taillin.«
Als sie in der verlassenen Kantine vor ihren dampfenden Tassen saßen, ging Maya wieder zum Angriff über. »Es ist doch nicht diese Sache mit Forral, oder?« fragte sie.
»Was?« Einen Moment lang dachte Aurian, ihre Freundin hätte ihre Gefühle für den Schwertkämpfer entdeckt, aber Mayas nächste Worte belehrten sie eines Besseren.
»Er hat es geschafft, es vor fast allen in der Garnison zu verbergen, aber niemand kann derartig viel trinken, ohne daß es früher oder später ans Licht kommt.«
Aurians Herz sank ihr in die Knie. »Wie lange geht das schon so?«
Maya zuckte die Schultern. »Seit Wochen – eigentlich seit Monaten. Aber in letzter Zeit ist es schlimmer geworden, und als Forrals Freund und auch als seine Stellvertreterin bin ich besorgt. Er läßt nach, Aurian. Ich kann die Anzeichen dafür bereits erkennen, und du weißt ja, wie es hier zugeht. Früher oder später kommt jemand plötzlich über ihn, wie Parric heute morgen über dich, und Forral wird dabei übel verletzt werden.« Maya hielt inne, als sie Aurians erschreckten Gesichtsausdruck sah. »Verflucht sei mein loses Mundwerk! Du wußtest es nicht, oder?«
»Es ist schon gut«, sagte Aurian schwach. »Ich wünschte, du hättest es mir eher erzählt. Vielleicht kann ich darüber mit ihm sprechen.«
»Danke, Aurian. Es tut mir leid, dich damit zu belasten, aber vielleicht hört er auf dich. Er …« Maya schwieg plötzlich, und ihre Augen verengten sich. Sie stand abrupt auf. »Komm«, sagte sie. »Es ist Zeit zu gehen.«
Die Reihen hölzerner Bänke, die den Fechtplatz umrahmten, waren voll besetzt. Auf der einen Seite sah man die frischen Rekruten, auf der anderen Seite alle Soldaten der Garnison, die gerade keinen Dienst hatten. Der jährlich abgehaltene Freistilschaukampf, der den neuverpflichteten Soldaten zeigen sollte, was man später von ihnen erwartete, war immer spektakulär, und niemand wollte sich entgehen lassen, den besten Schwertkämpfer der Welt kämpfen zu sehen – vor allem in diesem Jahr. Forral wählte sich stets den besten Kämpfer als Gegner aus, und als er für diesen Kampf Aurian nominierte, hatte er riskiert, der Günstlingswirtschaft bezichtigt zu werden. Die Soldaten allerdings wußten es besser, und die (streng verbotenen) Wetteinsätze auf den Ausgang des Kampfes waren höher als sonst.
Die Atmosphäre war gespannt vor Erregung, als Aurian die Arena betrat. Sie hatte die Übungen und Meditationen absolviert, die ihren Körper und ihren Geist für den bevorstehenden Kampf vorbereiten sollten, aber dennoch mußte sie feststellen, daß sie Forral besorgte Blicke zuwarf. Abgesehen von einer leichten Aufschwellung um die Augen herum, schien er in bester Verfassung zu sein, und Aurian zwang sich, den Gedanken an seine Exzesse zunächst einmal aus ihrem Kopf zu verbannen. Die beiden in ärmellose Fechtwesten aus Leder, lederne Kniebundhosen und weiche Stiefel gekleideten Fechter verbeugten sich höflich voreinander, und der Kampf begann. Aurian umkreiste ihren Gegner vorsichtig, wohl wissend, daß es falsch war, sich zu eilig auf einen Schwertkämpfer von Forrals
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