Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Kaliber zu stürzen. Plötzlich machte er einen Ausfall und fand eine Öffnung in ihrer Deckung, von der sie hätte schwören können, daß es sie nie gegeben hatte. Sie sprang zurück und spürte, wie die äußerste Spitze seines Schwertes über das rauhe Leder ihrer Weste streifte, genau über ihren Rippen. Gut, daß sie mit ihrer Beinarbeit so außerordentlich schnell war. Sie täuschte ein Stolpern vor und führte dann einen seitlichen Hieb. Auf Forrals linkem Arm zeigte sich ein Gerinsel von Blut, und gleichzeitig mit dem Publikum stöhnt Aurian überrascht auf. Das erste Blut für sie und schon so rasch! Er hätte niemals auf einen so alten Trick hereinfallen dürfen. Sie mußte etwas unternehmen. Sie griff wieder an, direkt diesmal. Forral parierte den Schlag mit seinem erhobenen Schwert, und dann standen sie gegeneinander, Nase an Nase, mit geschlossenen Klingen. Aurian hörte das Publikum wieder aufstöhnen. Es glaubte, daß sie einen Fehler gemacht hatte, dem kräftigeren, stärkeren Mann so auf den Leib zu rücken, aber sie hatte es absichtlich getan. »Lassen wir nach, alter Mann?« spottete sie sanft. »Heute ist der Tag, an dem ich dich schlagen werde, Forral.«
Sie sah Schrecken und Ärger über sein Gesicht flackern, aber um mehr zu sehen, blieb ihr keine Zeit. In einem wirbelnden Hagel von Stahl löste er sich und entwand Aurian dabei beinahe die Klinge. Dann ging der Kampf richtig los. Für Aurian schien sich die Zeit zu verlangsamen, während sie und Forral ihren komplizierten Tanz des Todes auf dem Sand der Arena zelebrierten. Alle anderen Sorgen waren vergessen, die Welt bestand nur noch aus ihr selbst, ihrem Gegner und dem schimmernden Stahl, den sie schwangen.
Coronach schrie sein Todeslied hinaus, während es die Luft durchschnitt; Aurian frohlockte mit der Klinge – sie wurde zur Klinge mit ihrem sauberen scharfen Aufblitzen, dem ein gellender Stoß folgte, der sich durch ihre Arme fortpflanzte, wenn die beiden Schwerter wieder und wieder aneinanderklirrten. Sie registrierte die warmen Rinnsale von Blut aus einem Dutzend kleinerer Wunden und vergaß sie. Forral blutete auch an verschiedenen Stellen. Sein Gesicht war gerötet, und sein Atem ging stoßweise. Seine Bewegungen waren nicht mehr so flüssig wie ihre. Mit einem plötzlichen Schrecken begriff Aurian, daß sie ihn tatsächlich schlagen konnte. Diese winzige Unaufmerksamkeit kostete sie fast den Sieg. Sie sah Forrals von oben geführten Hieb gerade noch rechtzeitig, duckte ihren Kopf weg und ließ sich abrollen, kam wieder hoch, das Schwert noch in der Hand zum Gegenangriff. Dann begann sie, ihn Schritt für Schritt zurückzuzwingen.
Das Wissen darum, daß er verlieren würde, begann auf Forrals Gesicht zu dämmern, und damit änderte sich die Atmosphäre des Kampfes. Er war stolz auf sie – Aurian wußte das, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte. Während sie kämpften, war die Luft um sie spannungsgeladen; zwischen ihnen war ein Band, so eng, daß sie fast wie eine einzige Person kämpften, und Aurian wußte, daß sie nicht länger gegeneinander fochten – sie fochten miteinander, obwohl jeder das Äußerste gab, um zu gewinnen. Trotz der Wunden und der Müdigkeit, die sie langsam überkam, fühlte sie sich wie von Wein berauscht. Langsam breitete sich ein Lächeln auf Forrals Zügen aus, und sie merkte, daß sie selbst mit einem Grinsen antwortete. Niemals zuvor waren sie so sehr eins gewesen wie jetzt.
Der Kampf ging in die Geschichte der Garnison ein. Diejenigen, die das Glück hatten, dabei zugegen zu sein, erzählten später, daß die Bewegungen so schnell waren, daß kaum jemand ihnen mit den Augen folgen konnte. Keiner wußte, wie lang der Kampf schon andauerte – Aurian verlor im Hochgefühl des Kampfes jedes Zeitgefühl. Dann, ganz plötzlich, war es vorbei. Forral lag lang ausgestreckt im Sand zu ihren Füßen, die Spitze ihres Schwertes an seiner Kehle.
Das Publikum saß noch in Schweigen gebannt, als Aurian ihre Klinge hob, um Forral ihre Reverenz zu erweisen, und dann erschöpft zusammensank, während die Anspannung des Kampfes ihre müden Glieder freigab. Auf ihr Schwert gestützt, streckte sie die Hand aus, um Forral aufzuhelfen. Als er aufstand, trafen sich ihre Blicke, und in diesem Augenblick offenbarten sie sich gegenseitig all die Worte, all die Gefühle, die sich so lange in ihren Herzen verborgen hatten. Jetzt gab es kein Verstecken mehr. Aufeinander gestützt, verließen sie die Arena. Die Menge
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