Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
Hintergrund von Wüstensand …
Unendliche Weiten entfernt, in der Kammer der Winde, setzte in Chiamhs Körper für einen Moment lang der Herzschlag aus. Noch mehr Mächte! Noch eine böse Macht wie eine dunkle, sich windende Wolke – und zwei andere Mächte, weit hinten im Süden in dem Wald jenseits des Berges. Ihr Licht leuchtete klar und hell, und sie waren vereint in Liebe und Ehrlichkeit und der Klarheit ihrer Ziele – dann plötzlich waren sie fort, verfinstert durch die Woge einer schwarzen, überwältigenden Gewalt, die den widerwärtigen Gestank von Haß und Bosheit und unbarmherziger Lust verströmte. Chiamh schrie auf und floh. Der erste Ansturm der Welle packte ihn – verschlang ihn. Irgendwie gelang es seinem Bewußtsein, sich zurück in seinen Körper zu tasten. Chiamh schluchzte vor Entsetzen und versteckte sich wie ein Kind in seinem Schattenmantel, bis das Böse vorübergezogen war.
Es dauerte sehr lange, bis das zu Tode erschrockene Windauge es wagte, wieder den Kopf zu heben, aber als es schließlich mit seinem silbernen Blick Ausschau hielt, war die Luft um es herum klar und sauber. Zu Chiamhs tiefer Erleichterung trug der Wind keine Todeskunde. Da begriff er, daß ihm eine Vision der Warnung gewährt worden war. Die Mächte – diese hellen und wunderschönen Lichter –, sie lebten noch. Aber was würde geschehen, wenn der Finstere die Hand ausstreckte, um sie zu ergreifen, so wie er es gerade vorhergesehen hatte? Er mußte ihnen helfen – das war der Grund, warum er heute abend das Gefühl gehabt hatte, hierherkommen zu müssen.
Chiamhs Erregung legte sich mit einem Mal und wich kalter Angst. »Wie kann ich ihnen helfen?« sagte er laut, so wie es die Art jener ist, die allein leben. »Du hast keine Ahnung, wer sie sind und was sie vorhaben. Aber du kannst es herausfinden – wenn du es wagst.« So sprach er sich selbst Mut zu.
Der Sturm zog und zerrte immer noch an dem Windauge wie ein gereiztes Kind. Seine Gewalttätigkeit würde es ihm schwermachen, seine Visionen unter Kontrolle zu halten; es bestand die Gefahr, mehr herauszufinden, als ihm lieb war. Solche Visionen waren gefährlich – aber er mußte das Risiko eingehen. Er war der einzige der Xandim, der den Grund kannte für diesen grimmigen Winter, der das Land gelähmt hatte, – aber kein einziger seines Volks glaubte ihm. Er wußte, daß es das Ende der Freiheit für seine Rasse und für andere bedeutete, wenn die Schneekönigin nicht aufgehalten wurde. Allein war er hilflos, aber wenn es ihm gelang, diesen hellen Mächten beizustehen …
Chiamh wandte sich denn Sturm zu und schlang sich einen Windstrang um die Finger. Als er dann seine Andersicht in diesen Knoten aus Luft goß, fing die Luft Feuer und loderte zu einem leuchtenden Knäuel aus mondgesponnenem Silber auf. Mit größter Vorsicht hielt er den Knoten fest, zog dann sanft seine Hände auseinander und begann das funkelnden Etwas zu dehnen und zu kneten, bis er endlich eine glitzernde Scheibe silberner Luft in Händen hielt. Seine Quecksilberaugen verengten sich, und das Windauge blickte in den Spiegel.
Und die Visionen kamen – eine Flut von Bildern, die flackerten und sich wandelten und ineinander übergingen in ihrer Hast, sich zu offenbaren.
Die kalte und tödliche Schönheit der Schneekönigin – das ausgezehrte Gesicht des Dunklen, mit Augen aus brennendem Stein – und die ganze Welt in Ketten zu ihren Füßen …
Der Wald jenseits der Berge. Ein einsamer Turm, fast vollständig zerstört, und die magere, flinke Gestalt eines rennenden Wolfes. Die hellen Mächte – eine hochgewachsene Frau mit flammend rotem Haar, ihr Bauch gewölbt über einem Kind; der blauäugige Mann, der nie von ihrer Seite wich – und hinter ihnen, nur halb sichtbar, die Erscheinung eines Kriegers, der schützend über ihnen schwebte …
Noch ein Wald, noch weiter nördlich. Ein Wald, der in Chiamh ein widersprüchliches Gewirr aus Furcht und Sehnsucht weckte und die schmerzliche Qual von Trennung und Verlust. Ein feuriges Schwert, eingeschlossen in Kristall, das das Ende des Bösen bedeutete – und die Vernichtung der Xandim …
Ein Gesicht, einsam und schmal, mit knochiger Nase und hohen Wangenknochen; zu jung für das Silber, das das dunkle Haar durchzog und das verschlagene Glitzern überschatteter, grauer Augen widerspiegelte. Es war das Gesicht eines Schurken, eines ewig Unzufriedenen, eines Unruhestifters das Gesicht von Schiannath, dem Außenseiter, der es vor
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