Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Titel: Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
Vom Netzwerk:
einigen Monaten tatsächlich gewagt hatte, den Rudelfürst Phalihas herauszufordern und mit ihm um die Führung zu kämpfen. Chiamh hatte keine Ahnung, wo er jetzt war. Sein Scheitern hatte die Verbannung aus seinem Stamm bedeutet, und er war in die Berge verschwunden, zusammen mit seiner Schwester Iscalda – was Phalihas ganz besonders erzürnt hatte, da das Mädchen die Verlobte des Rudelfürsten gewesen war.
    » Schiannath ?« Der Spiegel kräuselte sich und bewölkte sich, als Chiamh vor Überraschung beinahe die Kontrolle über seine Vision verlor. Schiannath hatte mit dieser Sache zu tun? »O liebliche Göttin«, murmelte das Windauge, »was im Namen deiner Gnade kann er damit zu tun haben?« Mit einiger Mühe bekam er das Bild wieder klar – und sah die Frau wieder, ihr Haar ein flammendes Banner, ihr Körper eingehüllt in eine strahlende Aura aus Magie. Der Dunkle streckte die Hand aus, um sie zu ergreifen, aber die Vision von Schiannath lag wie eine Schranke zwischen ihnen. Die Frau streckte die Hand aus, um das Schwert zu ergreifen und die Xandim zu zerstören …
    »Nein!« schrie Chiamh. Der Spiegel löste sich zwischen seinen Fingern in Nebel auf, und das Windauge brach direkt am Abgrund seines Horsts zusammen, ungeachtet der tödlichen Tiefe. Für seine Andersicht war die Bedeutung der Vision grausam klar. Nur die hellen Mächte konnten dem herannahenden Bösen zuvorkommen – aber auf Kosten des gesamten Volkes der Xandim.
    Der Seher rang mit den widersprüchlichen Möglichkeiten, aber in welche Richtung seine Gedanken sich auch wandten, er stand immer wieder vor der unausweichlichen Wahrheit – ob die bösen Mächte Erfolg hatten oder nicht, die Xandim waren dem Untergang geweiht. Das Windauge senkte den Kopf und wandte sich mit tränenüberströmtem Gesicht nach Norden, um seinen Blick über das Herzland seines Volks streifen zu lassen.
    Er hatte vergessen, daß die Andersicht ihn noch immer in ihrem Bann hielt. Chiamhs Körper versteifte sich, zurückgelassen am Rande der Plattform, während sein Bewußtsein auf den Schwingen seiner Andersicht entfloh; wie ein Pfeil schoß es das Tal hinunter und einen Pfad aus Silber entlang in die Richtung, in der die Quelle seiner Vision lag. Es folgte dem kristallenen Lauf des vereisten Stroms und eilte über die schneebedeckten Wiesen des Plateaus, die breiten, flachen Stufen des Klippenpfads hinunter, an dem durchscheinend funkelnden Vorhang des gefrorenen Wasserfalls entlang und über den ausgetretenen Weg, der um die Klippen herumführte, bis … bis …
    »Bei Iriana von den Tieren!« rief Chiamh erstaunt aus. Dort, auf dem Wege zu den gewaltigen Mauern der Xandimfestung, sah er die Gefangenen. Fremde von jenseits des Meeres! Ein Mann und eine Frau, die ihren Gewändern nach Krieger sein mußten; ein silberhaariger alter Herr, der sich verbissen an sein Leben klammerte … und die andere. Bei der Göttin, die andere! Sie war eine der Mächte – aber ob hell oder dunkel konnte Chiamh nicht sagen. Ihr Verstand war durch ein bewölktes Labyrinth des Wahnsinns vor seiner Andersicht verborgen.
    Das Windauge spürte, daß diese Fremden irgendwie mit den hellen Mächten verbunden waren. Und er wußte mit grausamer Sicherheit, daß sie als Eindringlinge in das Land der Xandim unweigerlich hingerichtet werden würden. Aber sie durften nicht sterben, sonst waren die Hellen verloren. Die Vision befahl ihm, sie zu retten!
    Aber das war leichter gesagt als getan. Wie sollte er den Rudelfürst überreden? Chiamh wußte, daß er es nicht geschafft hatte, den Respekt zu erringen, den seine Großmutter besessen hatte. Sie hatte den Vorteil ehrwürdigen Alters gehabt. Das Windauge zog eine Grimasse. Seine Großmutter war nicht immer alt gewesen, aber sie hatte sich im Kampf gegen die plündernden Khazalim als großartige Kriegerin erwiesen. Er hatte das nie getan und würde es auch nie tun – die Kurzsichtigkeit seiner normalen Augen machte das unmöglich. Bevor er einen Freund erblickt hätte, wäre er bereits tot. Sieh den Dingen ins Auge, Chiamh, dachte er. Du bist das Gespött der Leute – und darum versteckst du dich in deinem Tal, lebst in einer Höhle wie ein Einsiedler. Sie werden dir nie glauben – sie werden sich über dich lustig machen, wie sie es schon so oft getan haben.
    Nichtsdestotrotz mußte er es versuchen – und er hatte keine Zeit zu verlieren. Das Hellerwerden des Himmels, das zwischen den dahinjagenden Wolken kaum erkennbar war, sagte Chiamh,

Weitere Kostenlose Bücher