Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
Ungeheuer loszulassen …
Doch nichts geschah. Der Stab lag dunkel und tot in seinen Händen. Ungläubig und wie betäubt versuchte der Magusch es noch einmal. Wieder nichts. Er hätte genausogut einen einfachen Holzstock benutzen können. Und was war aus seinen eigenen Kräften geworden?
Die riesigen Kiefer des Ungeheuers öffneten sich zu einer breit grinsenden Schlucht. In Gedanken hörte Anvar das gräßliche, spöttische Lachen der Moldan. » Möchtest du es nicht noch einmal versuchen ?« höhnte das Elementarwesen. » Der Stab der Erde ist von deiner Welt, Zauberer. Wie deine eigene Magie hat er hier keine Macht, hier, wo die Kräfte der Alten Magie noch Bestand haben .«
BUMM! Ein großes Bein schwang nach vorn, und die Erde sank unter dem gewaltigen, mit Klauen besetzten Fuß des Geschöpfes tief ein. Anvar drehte sich um und floh. Mit tödlicher Geschwindigkeit eilte das Ungeheuer hinter ihm her. Anvar konnte den mißtönenden Donner seiner Schritte, die den Boden beben ließen, hinter sich hören; die großen Beine der Kreatur schleuderten riesige Brocken aus der Erde, während sich der Abstand zu Anvar mehr und mehr verringerte.
Die Angst verlieh seinen zitternden Gliedern neue Kraft, und Anvar stürmte den Hügel hinunter auf den Fluß zu, obwohl er die ganze Zeit über wußte, daß er verloren war. Nirgendwo gab es eine Möglichkeit, sich zu verstecken, und der monströsen Moldan weglaufen zu wollen war sinnlos. Vor ihm lag nur dieser fremde, grüne Fluß – und ein Sprung ins Nichts am Ende des Tals, dort wo die schäumenden, grünen Wasser in einer Wolke aus Gischt verschwanden. Lieber ein schneller Tod, zerschmettert auf den Felsen am unteren Ende des Wasserfalls, als die langsame Qual zwischen den Kiefern des Ungeheuers! Zumindest würde die Moldan auf diese Weise nicht in den Besitz des Stabs der Erde gelangen …
Als Anvar sich dem Flußufer näherte, konnte er hören, wie das Ungeheuer näher und näher kam. Sein heißer Atem umgab ihn wie eine widerlich stinkende Wolke … Mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung erreichte Anvar das Ufer und sprang. Die zischende, grüne Flut ergriff ihn, riß ihn direkt aus den zuschnappenden Kiefern der Kreatur. Ihr zorniges Knurren hallte noch durch das Tal, als der Magusch bereits von den Wassern davongewirbelt wurde.
O ihr Götter – wie konnte dieses Wasser ohne Eis so kalt sein? Selbst wenn Anvar gut hätte schwimmen können, hätte er in dieser schnellen, eisigen Strömung keine Chance gehabt. Spuckend und keuchend wirbelte er durch die Flut, erhaschte ab und zu einen Atemzug, wenn sein Kopf die Oberfläche durchbrach, und versuchte verzweifelt, den Atem anzuhalten, wenn er wieder hinabgezogen wurde. Glücklicherweise war das Wasser tief, und in diesem Teil des Flusses gab es nur wenige Felsbrocken. Allmählich wurden Anvars Glieder schmerzhaft taub. Einen Augenblick lang durchbrach sein Kopf noch einmal das Wasser, und zu seinem unaussprechlichen Entsetzen sah er die massige Gestalt der Moldan vor sich, die am Ufer entlanglief und mit ihm Schritt hielt; ihre glitzernden Augen brannten wie zwei Stecknadeln des Zorns in ihrem ausdruckslosen, gepanzerten Gesicht. Aber das war die geringste von Anvars Sorgen. Er verlor seinen Kampf in dem kalten Wasser …
Aurian! Voller Sehnsucht dachte er an seine Gefährtin, als das eisige Wasser in seine Lungen strömte. Dann herrschte für einen düsteren Augenblick Verwirrung und schließlich … Anvar stellte fest, daß er nicht ertrunken war, sondern wieder atmete! Zu spät erinnerte er sich daran, was Aurian ihm über ihre Rettung als Schiffbrüchige erzählt hatte: daß nämlich ihre Lungen sich an das Wasser angepaßt hatten. Da er damals nicht über seine eigenen Kräfte verfügt hatte, war er nicht in der Lage gewesen, diese Veränderung zu vollziehen, diesmal jedoch war es glücklicherweise anders.
Doch zu spät. Die Strömung wurde immer schneller, während der Fluß sich zwischen den steinernen Ufern zusammenzog. Vor sich hörte er ein donnerndes, dröhnendes Tosen. Der Wasserfall! Der Magusch hatte gerade noch Zeit für einen kurzen Blick in die endlose Tiefe unter sich und auf den See, der dort unten lag und aus Anvars Perspektive aussah wie ein kleines, grünes Auge. Dann stürzte er hinab …
Eine Pfote wie eine große, mit Schuppen besetzte Hand fing ihn auf, preßte ihm das Wasser aus den Lungen und riß ihn direkt von dem Abgrund weg. Einen Augenblick lang empfand er nur Schmerz und
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