Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Titel: Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
Vom Netzwerk:
verriet jedoch auch ihre wahre Natur. Chiamhs Nachforschungen hatten ergeben, daß diese Gebilde keineswegs Felsbrocken waren. Sie breiteten sich unterhalb der Erde weiter aus und schienen – wie die Festung – Auswüchse des Muttergesteins des Berges zu sein. Jedes dieser Gebilde hatte eine kleine, quadratische Tür und ein Loch in seinem Dach, das Licht hereinließ und dem Rauch aus dem Herd die Möglichkeit gab zu entweichen. Noch erstaunlicher jedoch war das Innere dieser Gebilde, denn die Mauern und der Fußboden waren angehoben und ausgefurcht worden, um Betten, Regale und Bänke zu formen. Wie die Festung, so war auch ihr Ursprung ein Rätsel, aber die Xandim hatten diese Gebilde als Teil der Landschaft akzeptiert. Wenn das Wetter nicht gerade extrem unfreundlich war, kümmerten sie sich kaum um diese vorgefertigten Heime.
    Die Xandim waren ein zähes, bewegliches Volk, das meist draußen lebte und die Freiheit vorübergehender Zufluchtsorte in den stürmischen Vorgebirgen oder den offenen Ebenen mehr schätzte als fertige Niederlassungen und Wände aus Stein. Als Menschen jagten, fischten, sammelten und handelten sie – und in ihrer Pferdegestalt grasten sie die weiten Ebenen ab, wo ihr Futter im Überfluß wuchs. Sie hatten eine einfache, geschriebene Zeichensprache, kümmerten sich jedoch selten um solche Äußerlichkeiten. Statt dessen erzählten sie einander Geschichten, je unglaubwürdiger um so besser, und sangen miteinander ihre Lieder. Ihre Geschichte wurde von Mund zu Mund weitergegeben, ein Umstand, der Chiamh überaus mißfiel. Er war sicher, daß vieles von ihrer Geschichte verlorengegangen und die Überlieferung der Reste zum größten Teil durcheinandergeraten war.
    Das Windauge kam durchnäßt, zerschunden und atemlos vor dem gewaltigen Torbogen der Festung an. Das Gebäude war ihm unheimlich, als würde er von unsichtbaren Augen unter seinen Dachfirsten beobachtet. Nervös blickte er an dem hoch aufragenden Bauwerk empor. Die ungewöhnliche Silberäderung in dem groben, braunen Stein glitzerte sanft in dem Nachglühen der Abenddämmerung, und in dem trügerischen Geisterlicht sahen die Türme, Fenster, Balkone und Stützpfeiler des Gebäudes in Chiamhs kurzsichtigen Augen wie die ehrwürdigen Züge eines zerfurchten, alten Gesichtes aus. Zum ersten Mal fragte er sich, warum er nie auf den Gedanken gekommen war, sich diese Feste einmal mit seiner Andersicht anzuschauen. Nur die Göttin wußte, was eine solche Vision offenbaren mochte – aber im Augenblick hatte er für solch frivole Experimente keine Zeit.
    Als erstes mußte er herausfinden, was mit den fremdländischen Gefangenen geschehen war. Waren sie schon angekommen? Seine Visionen waren korrekt, was die Zusammenhänge betraf, aber sie konnten verwirrend und unsicher sein, wenn es um die Zeit ging. Und obwohl er das Windauge war, genoß Chiamh doch nicht so großes Ansehen beim Rudelfürsten, daß es ihm erlaubt gewesen wäre, die Kerker zu betreten. Die Rettung der Fremden mußte warten, bis ihre Verhandlung beendet war, bis er sie erreichen konnte. Außerdem wollte das Windauge mehr über sie wissen, bevor er sich weiter in die Sache verstrickte. Glücklicherweise gab es eine Möglichkeit, herauszufinden, was er wissen mußte – falls die Fremden bereits hier waren.
    Es war gerade Zeit für den Wachwechsel – eine vollkommen zwanglose Angelegenheit, denn die unabhängigen Xandim hatten nichts übrig für Formalitäten und Bevormundung. Chiamh seufzte. Daß er ausgerechnet jetzt ankommen mußte, wo er es mit doppelt so vielen Wachen zu tun haben würde wie sonst! Als er sich den Wachen näherte, erkannte Chiamh den ranghöchsten Offizier. Es war Galdrus, ein Muskelpaket ohne Verstand, dessen Kopf dicker war als der Stein der Festung, und Chiamhs Mut sank. Da es Galdrus sowohl an Intelligenz als auch an Vorstellungskraft mangelte, hatte er großen Spaß daran, sich über das kurzsichtige Windauge lustig zu machen. Aber die Wachen hatten Chiamh bereits gesehen, und er hatte keine Chance mehr, seinen Weg unbeobachtet fortzusetzen. Also tat er sein Bestes, um sich in die Würde seines Amtes zu hüllen, straffte seine Schultern und ging auf die Gruppe der Krieger zu, die plaudernd am Tor stand.
    Wie Chiamh erwartet hatte, begannen die Männer, ihn zu verhöhnen, noch bevor er die oberste Treppenstufe erreicht hatte.
    »Was hat dich denn aus deinem Loch gescheucht, kleiner Maulwurf?« spottete Galdrus, was seinen Kameraden ein Lachen

Weitere Kostenlose Bücher