Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
Mädchen offenbarte ihre Verbitterung, und Harihn lächelte in der Dunkelheit. Es war so leicht, sie zu beeinflussen. »Überrede deine Kameraden, ins Gebirge zu gehen, zu Incondors Turm, dem uralten Wachposten deines Volks«, sagte er zu ihr. »Wenn sie dort ankommen, bevor Aurian ihre Macht zurückerhält, können meine Leute ihnen mühelos auflauern.«
Rabe dachte an Nereni und zögerte. »Harihn – versprichst du, daß sie nicht zu Schaden kommen werden?«
»Das verspreche ich dir, meine Liebste.« Die Dunkelheit verbarg die Lüge in Harihns Gesicht. Nerenis Mann hatte ihn betrogen, ebenso wie der abtrünnige Yazour und der Eunuch Bohan. Sie verdienten den Tod – auch Nereni. Harihn lächelte bei dem Gedanken. Unfähig, der Versuchung zu widerstehen, sie noch einmal zu nehmen, strich er ihr übers Haar und beugte sich herunter, um ihre Lippen noch einmal einzufangen.
Später, als er sich mühsam den Weg zurück zu seinem Lager ertastete, lächelte Harihn immer noch; währenddessen kehrte Rabe zu ihrem eigenen Lager zurück und flog hoch über den Bäumen hinweg, während die Berge in die Nacht hineinglitten.
Binnen kurzer Zeit hatte der Prinz seine Gefolgsleute zu hektischen Aktivitäten getrieben. »Meine restlichen Krieger werden heute abend nach Norden aufbrechen, wo ich in Kürze zu ihnen stoßen werde«, erklärte er seinen Bediensteten. »In meiner Abwesenheit müßt ihr hierbleiben und Vorräte für uns anlegen. Geflügelte werden kommen, um abzuholen, was ihr gesammelt habt.« Seine Gefolgsleute, überrascht von dieser plötzliche Änderung seiner Pläne, sahen den Prinzen wachsam an und flüsterten hinter seinem Rücken. Er war nicht mehr er selbst gewesen, seit er einen Fuß in diesen Wald gesetzt hatte, und manchmal hatten sie ihn sogar dabei erwischt, wie er zu sich selbst sprach, wenn er sich unbeobachtet wähnte. Und was seine Verbindung mit diesen geflügelten Kreaturen betraf – das überstieg bei weitem alle Regeln des Anstands.
Harihns Verhalten wurde immer seltsamer. Schon bald nach ihrer Ankunft an diesem Ort hatte er die meisten seiner Soldaten weggeschickt. Sie sollten mit großen Mengen an Vorräten mit einem geflügelten Krieger als Führer nach Norden reiten. Auf diese Weise war sein Gefolge nur mit einer vollkommen unzureichenden Wache zurückgeblieben – und jetzt wollte er sie ganz im Stich lassen. Aber sie waren Khazalim, und der Gehorsam den Mächtigen gegenüber war ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Harihn war ihr Prinz. Er hatte versprochen, zu ihnen zurückzukehren, und mit diesem Versprechen mußten sie sich zufriedengeben. Harihns Leute seufzten – aber sie gehorchten.
Die Xandim waren niemals eine Rasse gewesen, die sich um Dächer oder Mauern geschert hatte. Es war wirklich ein Glück, dachte Chiamh, daß ein Volk, dem es so sehr an allen Fähigkeiten gebrach, die zum Hausbau notwendig waren, eine vorgefertigte Festung gefunden hatte. Niemand wußte, wer sie erbaut hatte; die Großmutter des Windauges schrieb es der alten Rasse der Mächtigen von jenseits des Meeres zu. Chiamh bezweifelte das, obwohl die Schöpfer dieser Festung über unglaubliche Macht verfügt haben mußten, denn sie hatte die Unbilden der Zeit überlebt – und zwar zu Recht. Es gehörte mehr dazu als das Vorüberstreichen der Jahrhunderte, um ein so solides Bauwerk zu zerstören.
Geborgen in einer tiefen Einbuchtung in den Felsen lag die Fest der Xandim, ein massives Bollwerk, das die hohen, steinernen Wände des Windschleierbergs noch überragte. Das Gebäude war ein ausgehöhltes Quadrat, in dessen Mitte sich ein großer Hof befand. Die Hauptwohnbereiche grenzten an die Felswände. Obwohl die Feste beeindruckend geräumig schien, war ihre wirklich Größe von außen nicht zu ermessen, denn das Gebäude ragte tief in die Felsen hinein, wo meilenlange Korridore und eine Vielzahl von Gemächern aus dem Berg herausgehauen worden waren. In Notzeiten war die Festung groß genug, um die ganze Xandimrasse aufzunehmen – aber das war nicht ihre herausragendste Eigenschaft. Wirklich einmalig war, daß das ganze Gebäude – innen wie außen – aus einem einzigen Stein bestand !
Der grüne Abhang unter dem Bergfried war mit anderen kleineren Gebäuden übersät. Jetzt, da ihre Umrisse unter üppigen Gräsern, weichen Moosen und gold- und silberfarbenen Flechten verborgen waren, sahen sie von außen wie roh behauene Steine aus, die von den Felswänden herabgestürzt waren. Ihr Aussehen
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