Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
freundlichen, ein wenig törichten Gesichts Parrics Ärger noch an. »Was hast du überhaupt mit uns vor?« knurrte er unüberlegt. Chiamh stand abrupt auf, und sein Grinsen verschwand wie die Sonne hinter einer Wölke. Dann sah Parric den Stein in seiner Hand. Einen Augenblick lang stockte dem Kavalleriemeister der Atem.
Mit einer schnellen, ruckartigen Bewegung seiner Faust donnerte Chiamh den Stein auf Parrics Fesseln. Als die Kante der ersten Fessel sich in sein Heisch bohrte, schrie Parric laut auf. Obwohl die Kälte seinen Körper zu taub gemacht hatte, als daß er den Schmerz hätte spüren können, fühlte er doch, wie heißes Blut über seine Hand lief, und wußte, daß er später höllische Schmerzen haben würde. »Sie sind nicht verschlossen, du Esel!«
»Ach!« Chiamh machte sich nicht die Mühe, sich zu entschuldigen. Statt dessen begann er, mit der Spitze seines Dolchs in dem hartnäckigen Metallschloß herumzustochern, das sein Schlag verzogen hatte. »Wirklich ein Glück«, fügte er hinzu, als das Schloß endlich nachgab. »Denn es sieht so aus, als hätten uns die Geister bereits gefunden.«
»Was?« Als er auch die andere Hand frei hatte, schoß Parric in die Höhe und machte sich verzweifelt und mit Fingern, die zu taub waren, um seinem Willen zu gehorchen, an seinen gefesselten Fußknöcheln zu schaffen.
»Aus dem Weg!« Chiamh schob Parrics Hände weg und befreite ihn schnell von den restlichen Fesseln. »Verhalte dich ganz still, mein Freund – sie sind direkt hinter dir.«
Parrics Haut kribbelte vor Entsetzen, als er sich umdrehte und dem Blick des Windauges folgte. Keine zwei Meter von den Steinen entfernt standen zwei Geister – alles andere als Gespenster, wie Parric bemerkte, sondern gewaltige Katzen von ehrfurchtgebietender Größe. Er schluckte, als er ihre riesigen Klauen sah, die wie stählerne Krummdolche waren. Dann stimmten die Katzen ein heiseres, drohendes Duett an, und er konnte auch ihre großen, weißen Fangzähne erkennen. Das glänzende Fell der einen Katze zeichnete sich tiefschwarz gegen den Schnee ab, während das ebenfalls schwarze Fell der anderen mit goldenen Tupfen gesprenkelt war. Die lodernden Lichter ihrer wachsamen, gelben Augen waren von einer unheimlichen und geheimnisvollen Intelligenz erfüllt. Parric stockte der Atem in der Kehle.
»Weißt du«, sagte Chiamh leise und beinahe beiläufig, »ich glaube, diese Katzen sind mehr als nur Tiere – und laßt uns um unser allen willen hoffen, daß ich recht habe.« Dann schien er zum Entsetzen des Kavalleriemeisters vollkommen wahnsinnig zu werden. Er ging auf die Geister zu und schien etwas zu tun, das in Parrics von Furcht glasig gewordenen Augen so aussah, als verdrehe er seine Hände, als wolle er einen unsichtbaren Knoten aus Luft knüpfen. Beide Katzen zuckten zusammen, und ihre goldenen Augen weiteten sich entsetzt, während sich ihre Nackenhaare aufstellten – dann schossen sie mit einem schauerlichen Geheul davon, als wäre ihnen der Tod persönlich auf den Fersen.
»Ich hatte recht!« lachte Chiamh. »Man muß Phantasie haben, um sich von einer Illusion einschüchtern lassen.«
Parric starrte ihn verblüfft an. »Warum hast du mich gerettet?« flüsterte er. »Was willst du von mir?«
»Das fragst du besser die Göttin«, erwiderte Chiamh knapp. »Denn ich weiß es ganz bestimmt nicht. Aber unsere Herrin der Tiere hat eine Aufgabe für dich, und es war ihre Vision, die mich zu dir geschickt hat.« Seine Steifheit verschwand jedoch gleich wieder, als er Parric die Hand reichte, um ihm aufzuhelfen. »Komm, laß uns deine Kameraden befreien.«
»Das wird aber auch wirklich Zeit, verdammt!« Sangras Stimme klang schwach aus der Richtung, wo ihr Stein lag, und Parric und Chiamh grinsten.
»Hier.« Der junge Mann streifte das Bündel von seinen Schultern und rollte es auf. Dann gab er dem Kavalleriemeister eine Hasche, die zu dessen großer Freude etwas enthielt, das reinem Alkohol sehr nahekam und wie ein Feuerstoß seine Kehle hinunterlief.
»Ah! Gut!« keuchte er. Als er sah, daß Chiamh bereits Sangras Ketten löste, warf Parric sich eine der Decken des jungen Mannes um die Schultern und ging schnell zu Elewin hinüber.
Der alte Mann regte sich nicht, als er später kam. Elewins Gesicht war eingesunken und seine Haut von einem furchtbaren bläulichen Grau. Während Parric ihm die Fesseln löste, konnte er keine Spuren von Leben in dem alten Mann mehr finden. »O ihr Götter, nein«, murmelte
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