Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
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Sangra war die erste, die sich von ihrem Schrecken erholte. »Sieben verfluchte Dämonen«, hauchte sie und schluckte. »Na schön«, sagte sie dann mit neuer Entschlossenheit. »Komm, Parric, hör auf zu zittern! Hilf mir lieber, Elewin hinaufzubekommen und diese Seile festzuziehen – Pferde sind doch das einzige, wovon du wirklich etwas verstehst.«
Für Chiamh war der Abstieg in die Schlucht ein Alptraum. Er war es nicht gewöhnt, in seiner Pferdegestalt zu tragen, und obwohl das Gewicht des alten Mannes im Vergleich zu der Kraft des Windauges nur sehr gering war, brachte ihn die unvertraute Last auf seinem Rücken doch aus dem Gleichgewicht und machte es ihm schwer, seinen Weg über den schlüpfrigen Pfad zu finden. Und zu alledem kam noch die Anstrengung, Elewin am Leben zu erhalten, indem er ihn weiteratmen Heß. Außerdem konnte er jetzt das Unwetter noch deutlicher spüren; der Druck der Sturmfront prickelte auf seiner Haut und erfüllte ihn mit dem instinktiven, animalischen Drang, seine Last abzuwerfen und zu fliehen. Bevor sie auch nur die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, zitterte Chiamh mit weit aufgerissenen Augen am ganzen Leib und war trotz des eiskalten Wetters naß geschwitzt.
»Na, na, seht – es ist bald alles wieder in Ordnung. Wir sind ja gleich unten.« Sangras beschwichtigende Stimme war leise und tröstlich. Eine Hand streichelte seinen Hals und fuhr sanft über seine Nase. Chiamh warf den Kopf zurück und schnaubte überrascht, aber ihre Stimme beruhigte ihn, und ihre Berührung war erstaunlich angenehm.
»Sangra, was zum Kuckuck tust du da?« Das Windauge hörte Parrics verzweifeltes Flüstern von seiner anderen Seite. »Er ist kein verdammtes Pferd , und das weißt du!«
Sangras Hand hielt in ihrem sanften Streicheln keinen Augenblick inne. »Im Augenblick ist er es«, sagte sie. Chiamh segnete sie für ihr Verständnis.
Als sie am Boden der Schlucht angekommen waren und seine Last von ihm nahmen, hatte Chiamh kaum noch die Kraft, sich zurückzuverwandeln. Sobald er das jedoch getan hatte, sank er, am ganzen Leib zitternd, im Schnee zusammen. Bunte Flecken tanzten vor seinen Augen. Sangra legte ihm eine von Elewins Decken um die Schultern. »Ist alles in Ordnung mit dir?« fragte sie ihn mit vor Staunen weit aufgerissenen Augen.
Er nickte. »Danke für deine Hilfe. Als Pferd fällt es einem schwer, geradeaus zu denken.« Seine Worte verloren sich in einem verschämten Lächeln.
Parric schüttelte den Kopf. »Das war das Unglaublichste … «, begann er, aber das Windauge fiel ihm ins Wort.
»Frag mich später.« Schneeflocken wirbelten in dem immer stärker werdenden Wind um sie herum. Chiamh sprang auf. »Kommt, wir müssen von dem Kliff herunter, bevor der Sturm beginnt.« In Wahrheit hatte er jedoch keine Ahnung, wie er diesen letzten Teil des Abstiegs bewerkstelligen sollte. Dieser unsichere, vereiste Felsausläufer würde für ihn schon schwierig genug zu begehen sein, und dabei war er an ihn gewöhnt, aber für unerfahrene, entkräftete Fremdländer … Chiamh spürte, wie die Verzweiflung ihn niederdrückte. Nachdem er sie so weit gebracht hatte …
» Fasse Mut, Windauge, denn ich bin auch der Berg. Nimm deine Last und vertraue mir. Ich werde euch nicht im Stich lassen .«
»Basileus!« rief Chiamh überglücklich. Die anderen schienen zu glauben, daß er nun endgültig den Verstand verloren hatte, und nur das Herannahen des Sturms brachte sie dazu, ihm zu vertrauen, als er ihnen versicherte, daß der Felsenausläufer nicht so unpassierbar sein würde, wie er aussah. Trotzdem folgten sie ihm erst, als er Elewin auf die Schultern nahm, und sich allein auf den Weg über den schmalen Pfad machte. Er konnte hinter sich noch ihr wildes Fluchen hören, während sie sich ebenfalls an den Abstieg machten. Aber wie Basileus versprochen hatte, war der Abstieg leicht. Es war, als klebten ihre Füße fest auf dem Stein des Felsausläufers, als hielte sie eine unsichtbare Hand sicher auf dem groben Stein des Kliffs. Chiamhs Last schien überhaupt kein Gewicht zu haben, weil auf diesem letzten, verzweifelten Stück ihres Weges die Kraft des Moldan durch seine Adern strömte. Als sie endlich den Spitzturm am Eingang des Tals erreichten, war das Windauge jedoch so froh wie nie zuvor in seinem Leben, endlich sein Zuhause zu erblicken.
7
Das Dach der Welt
Als die Gipfel jenseits des Waldes sich vom zarten Rot der Morgendämmerung in das flammende Gold des
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