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Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Titel: Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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war geradezu verzweifelt darum bemüht, die Würde seiner Rasse wiederherzustellen. Vor ihrem Niedergang hatte das Himmelsvolk zu den vier großen Rassen der Magusch gezählt – der Wächter, die die Götter ernannt hatten, um über die Ordnung in der Welt zu wachen. Bevor man ihnen in einem verhängnisvollen magischen Krieg um die Oberherrschaft ihre Kräfte geraubt hatte, hatte sein Volk die Aufsicht über das Element der Luft gehabt. Gemeinsam mit den menschlichen Zauberern oder Erdmagusch hatten sie sich um die Vögel und alle anderen Geschöpfe gekümmert, die mit dem Wind flogen. Zusammen mit den mächtigen Leviathanen oder Wassermagusch hatte sie das Wetter der Welt beherrscht.
    Der Verlust dieser Macht war wie ein erstickender Dornenstrauch, der sich um die Seele des Hohenpriesters gewunden hatte und mit jedem Jahr größer wurde. Die Erinnerung an die vergangene Größe seiner Rasse bereitete ihm Qualen, statt ihn mit Stolz zu erfüllen. In Schwarzkralles Augen hatte das Himmelsvolk, selbst als es auf seinem Höhepunkt stand, nie seine wahren Möglichkeiten ausgeschöpft. »Warum?« fauchte er. »Warum hatten wir nie die alleinige Kontrolle über unser Element?« Alles, was von Bedeutung war, hatten sie sich teilen müssen, entweder mit diesen kriecherischen Zauberern oder mit den übertrieben gefühlvollen, weichherzigen Meeresleuten, dem selbsternannten Gewissen der Welt. Schwarzkralles gehetzter Verstand hatte niemals innegehalten, um zu bedenken, daß alle Elemente und ihre Herrscher voneinander abhingen; alle waren miteinander verbunden und unterstützten einander in einem komplexen Gewebe des Lebens. Er war jedoch nur mit sich selbst beschäftigt, mit seiner eigenen Rasse – und mit dem, was sie verloren hatte.
    In seiner Jugend war der Hohepriester idealistischer gewesen. Der junge Schwarzkralle war in den geheiligten Gemäuern des Gipfeltempels des Yinze aufgewachsen, von unbekannten Eltern einem priesterlichen Leben geweiht – das gewöhnliche Schicksal eines ungewollten Kindes bei den Himmelsleuten. Aber Schwarzkralle war anders gewesen. Die anderen hatten ihr Schicksal hingenommen, waren demütige, gehorsame, kleine Priester geworden, aber er hatte immer mehr gewollt. Hochgeborene Frauen hatten ihn zurückgewiesen – und die anderen, die weniger stolz und eigen waren, hatte er verachtet. Häßlich, kahl und ehrgeizig, unterschätzt von seinen Lehrern und Mentoren, hatte er sich mit den Krallen seinen Weg an die Macht gebahnt, um es ihnen allen eines Tages zurückzuzahlen. Um es so weit zu bringen, hatte er sich im Tempel zu einem Schüler entwickelt, der in allen Dingen zu gut war, um ignoriert werden zu können.
    In Wahrheit hatte Schwarzkralle sich in seiner Einsamkeit und Zurückgezogenheit nach der Familie gesehnt, die er verloren hatte, nach der Sicherheit und Geborgenheit, die man ihm verweigert hatte. Da er nichts über seine wirklichen Eltern wußte, nährte er den bestmöglichen Traum – daß er nämlich in Wahrheit ein unehelicher Sproß der königlichen Linie war. Jede Nacht füllten Phantasien seinen Kopf, in denen er die Herrschaft über die Geflügelten ergriff und ihnen ihren früheren Glanz zurückeroberte – und sich selbst zu der hohen Position in der Welt verhalf, die ihm immer verwehrt gewesen war.
    Dann hatte er die Schriften entdeckt. Seine Lehrer hatten ihm die Aufgabe zugeteilt, den Tempel zu reinigen, da sie immer noch verzweifelt versuchten, ihm ein wenig von der Saat priesterlicher Demut in seine Seele zu pflanzen. Schwarzkralle, der seines Ehrgeizes wegen eifriger war als die meisten, hatte die geheimen, verborgenen Schriften Incondors entdeckt.
    Es hatte offensichtlich so sein sollen. Jener junge, arrogante, verfluchte Magusch, der Mitanstifter der furchtbaren Geschehnisse der Verheerung , dessen bloßer Name unter den Geflügelten tabu war, hatte seine Mitteilungen an die Nachwelt so versteckt, daß Schwarzkralle sie in einer dunklen, verbotenen Nische hinter dem Altar finden mußte. Und nichts, so glaubte der Priester, geschah durch Zufall.
    Incondor war furchtlos gewesen und gnadenlos in seinem Ehrgeiz, einsam und außerdem mißverstanden von den geringeren Wesen in seiner Umgebung. Schwarzkralle, der Incondors Hinterlassenschaft Nacht für Nacht in seiner düsteren, kleinen Zelle förmlich verschlang, kam zu der offensichtlichen Schlußfolgerung, daß die Schriften eine Botschaft an ihn waren, die über Jahrhunderte hinweg eigens auf ihn gewartet hatte, und

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