Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
hat. Nun, er hat sich mit Schwarzkralle verbündet, aber er benutzt auch den Körper den Prinzen. Miathan hätte eine solche Besessenheit nicht ohne Harihns Zustimmung erwirken können, daher vermute ich, daß er dem Prinzen den Thron seines Vaters angeboten hat. Ein Verbündeter im Süden würde für seine eigenen Eroberungspläne von großem Nutzen sein. Aber Harihn hat keine Ahnung, wie tief Miathans Falschheit sitzt. Er ist jetzt nur noch eine Marionette, die nach Miathans Pfeife tanzt. Ich habe kein Mitleid mit Harihn, aber dein Volk wird leiden, so wie wir alle leiden werden, wenn wir keinen Ausweg finden.«
»Aber wie sollen wir das schaffen?« rief Nereni. »Er hält Eliizar und Bohan gefangen, und er wird sie töten, wenn wir versuchen zu entkommen.«
»Ich weiß es auch nicht«, gab Aurian zu. »Das heißt, ich weiß es noch nicht. Er hält auch Anvar als Geisel, aber dank deiner Hilfe habe ich jetzt wenigstens eine Vorstellung davon, wo er sein könnte. Mach dir keine Sorgen, Nereni. Wenn wir nicht in Panik geraten, wird uns schon etwas einfallen.«
Während sie ihre Freundin tröstete, versuchte Aurian, so wie Forral es ihr beigebracht hatte, die Situation zu analysieren. Ihre Lage war verzweifelt. Sie war hilflos, bis mit der Geburt ihres Kindes ihre Kräfte zurückkehren würden – aber würde sie Zeit haben, zu handeln, bevor Miathan das Kind tötete? Und wenn es keine Möglichkeit gab, Anvar zu befreien, dort im fernen Aerillia, wie konnte sie da etwas gegen den Erzmagusch unternehmen? Aurians Kopf begann zu schmerzen. Sie war übel zugerichtet, zutiefst verschreckt und hilflos und bis in das tiefste Innerste ihres Wesens hinein verängstigt – und doch zwang sie sich, ruhig zu bleiben und nachzudenken. Es war lebenswichtig, daß sie sich irgendeinen Plan zurechtlegte.
»Aurian!« Die Stimme in den Gedanken der Magusch hatte einen Beiklang von Verzweiflung, so als hätte ihre Besitzerin schon seit einiger Zeit versucht, ihre Aufmerksamkeit zu erringen. Freude durchschoß Aurian, eine Freude, die so heftig war, daß sie ihr fast die Kehle zuschnürte. »Shia! Dich hatte ich ganz vergessen!«
»Das habe ich gemerkt«, sagte Shia trocken. »Närrin! Ich versuche schon seit einer Ewigkeit, dieses Chaos zu durchdringen, das du deine Gedanken nennst.«
»Selber Närrin«, gab Aurian zurück. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst hier verschwinden.«
»Ich bin gut versteckt – und falls irgend jemand mich finden sollte, mögen ihm seine Götter beistehen.« Ihre Stimme wurde plötzlich sanft vor Sorge. »Aurian – wie könnte ich dich alleinlassen, ohne zu wissen, was mit dir geschehen ist?«
Mit knappen Worten erzählte die Magusch Shia, was vorgefallen war. Shia fauchte, als sie von Rabes Falschheit und Verrat erfuhr. »Dieses dumme Ding! Ich habe ihr nie vertraut. Nicht umsonst sind die Geflügelten seit Ewigkeiten unsere erbittertsten Feinde. Aber Aurian, wie kannst du mich bitten, dich in solcher Gefahr allein zu lassen? Kann ich nicht irgend etwas tun, um dir zu helfen?«
Einen Augenblick lang schöpfte Aurian Hoffnung. Dann erinnerte sie sich an Anvar, gefangen in Aerillia, und aller Optimismus schwand dahin. Selbst wenn Shia sie befreien konnte und sie dem Erzmagusch entkam, mußte Miathan doch irgendwie in Kontakt mit Schwarzkralle sein. Wenn sie entkam, wußte sie, daß Anvar sterben würde, lange bevor sie ihm zu Hilfe eilen konnte.
Aurian seufzte. Was sie auch unternehmen mochte, sie durfte auf keinen Fall Miathan vergessen. »Nein, Shia«, sagte sie zu der Katze. »Sie haben Anvar als Geisel, und wenn du mich befreist, wird er sterben. Alles, was du tun kannst, ist, den Erdenstab zu nehmen und … bei Ionor, dem Weisen! Warum habe ich nicht früher daran gedacht?« Aurian lachte laut auf, und ihr wurde schwindlig vor Erleichterung. Wie ein greller Blitz war ihr die Erleuchtung gekommen.
»Was?« Shias Ton war scharf vor Verzweiflung. Aurian bemühte sich, ihr Kichern zu unterdrücken, und brachte eilig Nerenis Protest zum Schweigen.
»Shia, hör gut zu. Wir glauben, daß Anvar in Aerillia gefangengehalten wird. Finde ihn, so schnell du kannst, und bring den Stab zu ihm. Er kann ihn benutzen, um zu entkommen!«
»Ist das alles?« Shias Stimme war eisig. »Ich lege einfach dreißig Wegstrecken durchs Gebirge zurück, ganz allein und mitten im Winter, und trage dieses verflixte magische Ding im Maul, das mich schon aus der Ferne ganz kribbelig macht. Dann dringe ich in die
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