Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
gewartet, bis ein bedrückender Friede sich über den Turm senkte. Er war davon ausgegangen, daß die Khazalim – verflucht sei ihr Name – eine ganze Weile brauchen würden, um die Ordnung im Innern des Turms wiederherzustellen, bevor jemand sich daran erinnerte, die Pferde zu entladen. Er wollte sich gerade ans Werk machen, als die verflixten Wachen erschienen und in ihrer ungehobelten Sprache vor sich hinplapperten, während sie sich daranmachten, die Pferde zu entladen. Schiannath fluchte verbittert. Die Chance seines Lebens, und er hatte sie nicht genutzt. Was war nur los mit ihm? AU dieses Essen, und es hätte um ein Haar ihm gehört.
Dem Gesetzlosen lief das Wasser im Mund zusammen. Er wollte verdammt sein, wenn er sich diese Gelegenheit so einfach entgehen ließ. Die Wachen trennten sich, als sie sich ans Werk machten, und der eine von ihnen kam ganz nah an Schiannaths Versteck heran und an das kümmerliche Dickicht am Fuße des Hügels. Wenn er dort hinübergelangen und sich verstecken konnte, während die Männer von den Pferden abgelenkt waren, die sich seltsam unwohl zu fühlen schienen … Schiannath wartete auf seine Chance. Er ließ Iscalda zurück und schoß nach vorn, wobei er sich die ganze Zeit über gebückt hielt. Dann tauchte er in den Büschen unter.
Das Dickicht explodierte. Zweige schlugen ihm ins Gesicht, als eine riesige, schwarze Gestalt unter ihnen hervorbrach. Ein gewaltiges Fauchen mischte sich mit den Schreien der Pferde und schmerzte ihm in den Ohren. Der Gesetzlose sprang mit hämmerndem Herzen auf. Was immer dieses Ding war, es war verschwunden – dorthin, wo die Pferde standen. Schiannath griff fieberhaft nach seinem Bogen und stellte fest, daß er ihn im Schnee verloren hatte. Göttin! Wie sollte er ohne ihn in dieser Wildnis überleben? Aber in diesem Moment stand vor allem sein augenblickliches Überleben auf dem Spiel. Also zog er sein Schwert und kroch bis zum Rand des Dickichts vor – und hielt wie gelähmt vor Entsetzen inne.
Die Wache lag tot in einer sich ausbreitenden Lache aus Blut; die Kehle des Mannes und die eine Hälfte seines Gesichtes waren weggerissen. Und in diesem Augenblick wütete die flammenäugige Gestalt eines Dämons mit Zähnen und Klauen unter den Pferden. Schiannath sog scharf die Luft ein. Einer der furchtbaren schwarzen Geister aus den Nordbergen. Und er hatte seinen Bogen verloren!
Plötzlich sprang die große Katze mit einem mächtigen Satz auf ihn zu. Er warf sich zurück, doch er wußte, daß er bereits tot war; aber das Geschöpf ignorierte ihn, stürzte sich auf etwas, das ganz in seiner Nähe lag und floh auf den Paß zu. Schiannaths Blut erstarrte. Iscalda! Er raffte sich hastig auf und wagte kaum hinzusehen, aber die Stute war verschwunden. Unfähig, den Anblick. dieses Ungeheuers zu ertragen, war sie den Paß hinuntergeflohen – in genau dieselbe Richtung, in die die Katze nun lief. O Göttin, rette sie!
Jetzt, da das bedrohliche Tier verschwunden war, wagten sich die Männer auch wieder aus dem Turm heraus – aber würden sie es auch wagen, durch den Paß zu gehen, solange die große Katze noch dort sein konnte? Schiannath bezweifelte es. Ihm selbst gefiel diese Vorstellung auch nicht, aber er hatte keine andere Wahl. Einige der Pferde irrten, noch immer ziellos in der Umzäunung herum, halb wahnsinnig vor Angst, aber außerstande, sich zu befreien. Der Gesetzlose sprang auf die Tiere zu, die ihm am nächsten standen – ein Pferd und ein Maultier, die noch ihre Satteltaschen trugen. Er sprang rittlings auf das Pferd und durchtrennte mit einer einzigen Bewegung seines Messers seinen Haltestrick und den des Maultiers. Das Pferd bäumte sich wild auf, aber kein gewöhnliches Pferd konnte einen Xandim abwerfen. Während er mit dem Ende des Seils auf das Tier einschlug, das sich wie wahnsinnig gebärdete, jagte er es auf den Eingang des Passes zu und betete, daß er rechtzeitig kommen würde, um Iscalda vor dem Dämon zu retten.
Schiannath beugte sich tief über den Hals des Pferdes, und seine Augen wurden schmal bei dem Versuch, in dem niedergetrampelten Schnee Spuren zu entdecken. Der Himmel war schwer von klumpigen, grauen Wolken, und obwohl die Morgendämmerung den Himmel über ihm bereits ein wenig aufhellte, hielten die Felsen auf beiden Seiten das Licht des frühen Tages aus der Schlucht fern. Der Boden des Passes war noch immer in tiefe Dunkelheit gehüllt, und Schatten tanzten trügerisch vor seinen angespannten Augen. Der
Weitere Kostenlose Bücher