Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
ihr Herz ihm mit einer Flut von Liebe und Kummer entgegenströmte. Nach allem, was er durchgemacht hatte … »Keine Angst«, flüsterte sie wild. »Ganz gleich, welche Gestalt Miathan dir gegeben hat, du bist mein Kind, und ich liebe dich. Ich werde diesem Bastard nicht gestatten, dich zu töten.«
Beim Klang ihrer Stimme wandte sich Nereni vom Feuer ab und reichte der Magusch eine dampfende Tasse Liafa. »Du siehst schon besser aus«, sagte sie sanft. »Aurian – hat er … Als ich dich dort liegen sah, dachte ich …« Sie biß sich auf die Lippe.
»Nein«, sagte Aurian schwach. »Mir geht es gut – soweit man das sagen kann. Er wird nicht das Risiko eingehen, daß das Baby zu früh kommt. Aber danach …« Sie nahm einen kleinen Schluck von dem belebenden Getränk und zuckte zusammen, weil die Hitze auf ihren geschwollenen Lippen brannte. Ihre Hände zitterten so sehr, daß sie beide brauchte, um die Tasse festzuhalten. Um sich von der Erinnerung an Miathans schmutzige Berührung abzulenken, erkundigte sie sich nach den anderen.
Nereni machte ein finsteres Gesicht. »Deine sogenannte Freundin, die Katze, hat sich ihren Weg ins Freie erkämpft, um wegzulaufen, und dieser Feigling Yazour hat die Gelegenheit genutzt, um ihr zu folgen.« Ihre Stimme war scharf vor Zorn.
»Mach Shia keine Vorwürfe – ich habe ihr gesagt, daß sie gehen soll«, erwiderte Aurian fest. »Der Stab der Erde ist unsere einzige Hoffnung, Miathan zu besiegen, und jemand mußte ihn in Sicherheit bringen. Und du darfst auch Yazour keine Vorwürfe machen, daß er die Chance zur Flucht ergriffen hat. Hoffnungslos unterlegen, wie wir waren, war es das einzige, was er tun konnte. Aber geht es Eliizar und Bohan gut?« Aurian wußte, daß dies der eigentliche Kern von Nerenis Zorn war, und wartete ängstlich auf ihre Antwort.
»Sie haben Eliizar in den Kerker gesperrt, zusammen mit Bohan«, sagte Nereni mit zitternder Stimme. »Er wurde verwundet, aber sie lassen mich nicht zu ihm.« Sie erbebte. »Sie haben mich zu Boden geworfen, weil sie mich vergewaltigen wollten, aber der Prinz hat sie davon abgehalten. Er wußte, daß ich mich aus Schande selbst töten würde, und er wollte mich lebendig haben, damit ich mich um dich kümmern kann. Das ist der Grund, warum die Wachen es nicht wagen, mir etwas anzutun. Einige der Geflügelten sind mit Anvar zusammen weggeflogen und …«
»Was hast du gesagt?« Die Tasse klirrte auf den Kamin, und Liafa spritzte in die zischenden Flammen. Aurian umklammerte Nerenis Arm, bis die alte Frau vor Schmerz aufschrie. »Geflügelte haben Anvar mitgenommen? Weiß du, wohin?«
»Aurian!« rief Nereni ärgerlich, aber die Magusch lockerte ihren Griff immer noch nicht.
»Wo haben sie ihn hingebracht, Nereni?«
»Ich bin mir nicht sicher«, wimmerte Nereni. »Sie haben in der Sprache der Himmelsleute gesprochen, aber ich hörte sie Aerillia erwähnen. Dann haben sie Anvar in ein Netz gewickelt und sind mit ihm davongeflogen. Aurian, du tust mir weh.« Sie brach in Tränen aus.
»Nereni, es tut mir leid!« Aurian nahm die weinende Frau in die Arme. »Du bist so tapfer gewesen – ich weiß nicht, was ich ohne dich angefangen hätte. Aber ich habe solche Angst um Anvar, und ich wußte nicht, wo sie ihn hingebracht haben.«
»Ich verstehe«, schluchzte Nereni. »Ich empfinde genauso, was Eliizar betrifft, verwundet und eingesperrt an diesem schrecklichen Ort. Wenn sie mich doch nur zu ihm lassen würden.«
»Keine Angst – wir werden nicht lockerlassen«, tröstete Aurian ihre Freundin. »Wenn Miathan Harihn manchmal allein lassen würde …« Sie hielt inne und überlegte, wie sie Nereni erklären sollte, daß der Prinz nicht mehr war, was er zu sein schien. »Verstehst du«, begann sie, »Harihn ist nicht …«
»Er selbst?« Nerenis Miene hellte sich ein wenig auf, als sie Aurians Erstaunen bemerkte. »Ich weiß«, fuhr sie fort. »Warum glaubst du, daß mein Volk solche Angst vor Hexerei hat? Berichte über Besessenheit sind in unseren Legenden keine Seltenheit. Als er mich vor seinen Männern gerettet hat, schien Harihn ganz normal zu sein, aber dann veränderte sich sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit, und eine andere, zutiefst böse Seele blickte ihm aus den Augen.« Das Zittern ihrer Stimme strafte ihre äußere Ruhe Lügen. »Hat der Prinz seine Seele einem Dämon verkauft?«
Aurian schüttelte den Kopf. »Ich habe dir doch vom Erzmagusch Miathan erzählt, der seine Mächte dem Bösen verschrieben
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