Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
bedauerte. Die riesige, von Echos widerhallende Dunkelheit lastete auf ihr und erschreckte sie ein ums andere Mal, bis ihre Nerven flatterten. Da war es wieder, dieses leise Rascheln und Scharren außerhalb der Reichweite ihrer kleinen Flamme … Einmal stolperte sie über einen unordentlichen Stapel Bücher und hätte fast ihre Kerze verloren.
Das reicht jetzt, sagte sich Zanna. Es war ohnehin eine törichte Idee gewesen, hier durch die Dunkelheit zu irren, wo sie sich eigentlich ausruhen und sich um ihren Vater kümmern sollte. Und dann kam ihr plötzlich ein entsetzlicher Gedanke. Was wäre, wenn sich in ihrer Abwesenheit irgendein entsetzliches Etwas an ihren schlafenden Vater herangeschlichen hatte? Sie warf einen Blick zurück über die Schulter und konnte den zarten Lichtschimmer seiner Kerze erspähen, so daß sie sich ein wenig beruhigte. Dennoch hatte sie ihn jetzt lange genug allein gelassen. Hastig suchte sie sich eine geeignete Stelle, wo die Wand scharf abbog und in einen anderen Alkoven führte, in dem keine Bücher zu liegen schienen. Dann hockte sie sich schnell auf den Boden, um sich zu erleichtern. Als sie wieder aufstand, drehte sie sich halb um – und das Licht ihrer Kerze fiel in den dunklen Tiefen des Alkoven auf die große, dünne Gestalt eines Mannes, der direkt vor ihr stand. Sein Gesicht war eine verzerrte Maske des Entsetzens, und in seinen glasigen Augen spiegelte sich die flackernde Flamme ihrer Kerze wider.
Die beiden Magusch und ihre Gefährten wichen vor der erstickenden Staubwolke zurück, die zu ihnen heraufdrang und suchten Zuflucht in den oberen Kammern des Turms. Dort verweilten sie kurz. Einige von ihnen setzten sich auf den Boden, andere lehnten sich erschöpft an die Wand; sie alle waren noch ganz außer Atem von dem Entsetzen und den Anstrengungen des Kampfes. Obwohl niemand von ihnen ernsthaft verwundet worden war, war keiner völlig unbeschadet aus der Schlacht hervorgegangen. Nach ein paar Sekunden holte Iscalda eine Wasserflasche aus einer der Satteltaschen und begann, ein altes Hemd in Streifen zu reißen, denn es lag auf der Hand, daß die Magusch im Augenblick zu erschöpft war, um ihre Gefährten mit Hilfe ihrer Magie zu heilen. Aurian und Anvar, die einzigen, die bisher von Bohans Tod wußten, klammerten sich für eine Weile aneinander, teilten ihre Erleichterung darüber, daß der andere in Sicherheit war, und gleichzeitig ihren Schmerz über den Tod ihres Freundes. Viel zu früh hob Aurian den Kopf von Anvars Schulter.
»Verzeih mir, Basileus«, hörte er sie zu dem Moldan sagen. »Ich hoffe, ich habe dir nicht allzu weh getan, aber ich hatte keine andere Wahl.«
»Ich verstehe.« Die Stimme des Elementarwesens klang düster. »Es war keine große Verletzung für ein Wesen von meinen gewaltigen Ausmaßen – aber doch eine unwillkommene Erinnerung an die Kräfte, über die deine Rasse verfügen kann. In eben diesem Augenblick schlagen die Xandim an einer anderen Stelle auf meine Knochen ein, um sich einen Weg zu euch zu bahnen, aber dafür mache ich nur diese Männer verantwortlich, nicht euch. Trotzdem glaube ich, daß ihr Zauberer jetzt besser von hier weggeht – um unser aller Willen.«
»Es tut mir leid.« Aurian seufzte. »Du hast recht.« Dann spürte Anvar, wie sie sich in Gedanken Shia zuwandte.
Aurian brauchte ihren ganzen Mut, um die Frage zu stellen, denn sie fürchtete, daß sie die Antwort bereits kannte. »Shia – was ist mit Wolf? Er ist doch nicht …?«
»Nein. Er ist in Sicherheit. Khanu bringt das Junge und die beiden Wölfe, die es beschützen, zu Chiamhs Turm.«
Eine schwindelerregende Woge der Erleichterung überflutete Aurian. Sie fühlte sich fast ein wenig schuldig, weil sie trotz Bohans Tod solches Glück empfinden konnte.
»Was ist Bohan passiert?« fragte sie leise.
»Er ist abgestürzt.« Die Gedankenstimme der Katze klang belegt vor Kummer. »Ich glaube, der Felsvorsprung hat unter seinem Gewicht nachgegeben. Ich habe versucht, ihn zu retten, aber …« Ihre Gefühle überwältigten sie, und sie konnte nicht weitersprechen.
»Und ich habe ihn dort hinausgeschickt.« Obwohl sie diesmal laut sprach, war die Stimme der Magusch kaum mehr als ein Flüstern. Plötzlich keuchte sie, fluchte und löste sich ruckartig aus Anvars Umarmung, um ans Fenster zu stürzen. »Shia – was ist mit dem Felsvorsprung?«
»Ein ganzes Stück weit weggebrochen – genau wie eure Brücke. Ihr werdet auf diesem Weg nicht entkommen
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