Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
können.«
Aurian stellte fest, daß ihre Gefährten sich mittlerweile um sie geschart hatten und ebenfalls aus dem Fenster spähten.
»Wir haben versucht, es euch zu erklären«, sagte Iscalda jetzt. »Die Bretter waren nicht mehr da …«
Die anderen bedrängten die Magusch jetzt so sehr, daß sie plötzlich in Panik geriet. Sie sah sich schon selbst in die Tiefe stürzen. »Zurück!« rief sie und riß sich von dem Anblick des schrecklichen Abgrundes los; sie zitterte bei dem Gedanken an Bohans tödlichen Sturz auf die Felsen unter ihnen. Nur mit größter Mühe konnte sie ihre Gedanken von dem grauenhaften Ereignis abwenden. Sie mußte sich jetzt darauf konzentrieren, wie sie die augenblickliche Gefahr überwinden konnten.
»Jeder nimmt mit, was er braucht«, befahl sie. Dann lief sie hinüber zu ihrem Bett und den Gepäckstücken, die daneben lagen, schob sich den Stab der Erde in den Gürtel und durchstöberte eine der Taschen nach der Pfeife, mit der man die Himmelsleute herbeirufen konnte.
»Hier – nimm meine.« Anvar, der sich die Harfe nun wieder sicher auf seine Schultern geschnallt hatte, war ihr einen Schritt voraus.
»Gib du ihnen das Signal.« Aurian wollte sich nicht noch einmal aus diesem Fenster beugen, nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Als sie den Inhalt der Tasche wieder zurückstopfte, hörte sie den ersten schrillen Pfiff durch die Dunkelheit hallen. Sie konnte nur hoffen, daß sich diese verflixten Geflügelten ausnahmsweise einmal beeilten. »Wieviel Zeit haben wir noch?« fragte sie Basileus.
»Genug – wenn ihr schnell seid.«
»Das ist ja ein toller Trost«, murmelte die Magusch gereizt, achtete aber gleichzeitig darauf, ihre Gedanken vor Basileus abzuschirmen.
»Gibt es denn nichts, womit ich euch helfen könnte?« drang Shias Stimme in Aurians Gedanken. »Es ist ein weiter Sprung in der Dunkelheit, aber ich glaube, ich könnte es zum Fenster schaffen …«
»Nein! Laß das!« Aurian konnte den Gedanken nicht ertragen, noch einen Freund an die grausam scharfen Steine auf dem Boden der Schlucht zu verlieren. »Keine Angst – die Himmelsleute kommen.«
»Da mußt du aber Glück haben.« Shias Gedankenstimme klang mürrisch und abfällig. »Ich bin in jenem Augenblick zwar gerade um mein Leben gelaufen, aber ich habe eindeutig gesehen, wie diese gefiederten Verräter weggeflogen sind, als die Xandim angriffen.«
»Was?« Aurian stieß einen so derben Fluch aus, daß sogar Parric überrascht die Augenbrauen hob.
»Was ist denn jetzt schon wieder los?« fragte er.
»Die verdammten Himmelsleute haben uns im Stich gelassen«, brauste Aurian auf.
Parric warf ihr einen wissenden Blick zu, und sie hätte ihn am liebsten auf der Stelle erwürgt. »Nun sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt, nach allem, was du neulich erzählt hast. Man muß wissen, wie man die Leute behandeln muß, wenn man ein echter Führer sein will. Du kannst nicht einfach …«
»Das ist wirklich ein kluger Rat, Parric, vor allem da er von dem Mann kommt, der die Xandim so wunderbar zu behandeln wußte, daß sie uns angegriffen haben«, erwiderte die Magusch. Wutschnaubend kehrte sie ihm den Rücken zu und ging zu Anvar ans Fenster. Das Schlimme war, daß sie wußte, daß der Kavalleriehauptmann recht hatte. Ohne Rabe, die ihnen gebieten konnte, hatten sich die geflügelten Begleiter, die die Königin den Magusch mitgegeben hatte, in wachsendem Maße als störrisch und aufsässig erwiesen; und je weiter sie sich von ihrem Heim in den Bergen entfernten, um so offensichtlicher hatte es ihnen widerstrebt, ihre Pflicht zu tun. Trotzdem war dieser feige Verrat, gerade in dem Augenblick, in dem sie sie am dringendsten brauchten, ein schwerer Schlag für Aurians Pläne. Jetzt bereute sie die vernichtenden Worte, die sie am Tag nach Wolfs Entführung zu ihnen gesagt hatte, bitter. Damals hatte die mangelnde Hilfsbereitschaft der Geflügelten Aurian so erzürnt, daß ihr Temperament mit ihr durchgegangen war. Aber obwohl die Geflügelten rastlos und alles andere als bußfertig wirkten, hatte Aurian doch geglaubt, die Sache mit der Zeit wiedergutmachen zu können. Unglücklicherweise hatte sie durch Elewins Tod und den Angriff der Xandim genau diese Zeit nicht gehabt.
»Was sollen wir jetzt tun?« fragte Iscalda. Das rußverschmierte Gesicht der Xandimfrau hatte das bleiche, starre Aussehen eines Menschen, der am Ende seiner Kraft angelangt war.
Zum Glück für Aurian, die keine Antwort bereit hatte,
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