Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
niemals anderer Meinung sein darfst als sie, sondern um die Art und Weise, wie du das kundtust. Heute hattest du völlig Recht, Sonnenfeder an seinen Platz zu verweisen – er hat versucht, dir wichtige Informationen vorzuenthalten, und das darfst du niemals erlauben. Aber du hättest ihn nicht gleichzeitig demütigen dürfen. Du hättest nur entschieden zu sein brauchen. Es hätte gereicht, wenn er begriffen hätte, daß du ihm solches Taktieren nicht durchgehen läßt. Das hätte ihm nicht gefallen, aber einen solchen Schritt deinerseits hätte er respektieren können. Den Flügelmarschall der Syntagma jedoch zu einem Botengang auszuschicken, den jeder Diener hätte unternehmen können, das war unentschuldbar. Glaub mir, Rabe, wenn du den Rat mit solch hochmütigem Benehmen erzürnst, dann wird deine Herrschaft die kürzeste in der Geschichte des Himmelsvolkes sein.«
Rabe sah die alte Ärztin schweigend an, und stur verzog sie den Mund zu einem schmalen Strich. »Das ist nicht gerecht«, murmelte sie schließlich. »So, wie diese Leute sich mir gegenüber benehmen, käme niemand auf die Idee, daß ich ihre Königin bin – und du bist auch nicht viel besser. Du behandelst mich wie ein Kleinkind.« In ihren Augen blitzte es zornig auf.
»Wenn du dich wie eins benimmst, kannst du auch nichts anderes erwarten«, erwiderte Elster schroff. »Jetzt hör mich an, Rabe. Bis heute haben Sonnenfeder und die anderen geglaubt, du seiest nicht mehr als ein verwöhntes Kind, das sie nach Belieben beeinflussen können. Darin lag deine Macht. Wenn Männer unvorsichtig sind, kann man sie für gewöhnlich leicht besiegen, und das, ohne daß sie es überhaupt bemerken – bis es zu spät ist. Du tätest gut daran, dir ein Beispiel an Aguila zu nehmen, statt die ganze Zeit auf ihm herumzuhacken – das ist mal ein Mann, der seinen Verstand beisammen hat.«
Die Königin stieß ein kleines, verächtliches Schnauben aus. »Aguila? Verstand? Also wirklich, der ist doch nichts als ein niedrig geborener Tölpel …«
»Genau darum geht es mir.« Elster beugte sich über den Tisch und fiel dem Mädchen, das gerade zu einer Schimpftirade ansetzen wollte, ins Wort. »Siehst du?« sagte sie leise. »Er hat dich genauso getäuscht wie alle anderen.«
Rabe starrte die Ärztin mit offenem Mund an.
»Klapp den Mund zu, Kind. Königinnen starren nicht.« Elster nahm einen Schluck von ihrem Wein. »Also, statt einfach dazusitzen und mich wütend anzusehen, solltest du noch einmal über diese letzte Zusammenkunft nachdenken, nachdem du Sonnenfeder weggeschickt hast. Mit einer einfachen, scheinbar beiläufigen Frage hat Aguila es geschafft, einerseits seine eigene Unschuld zu beweisen und andererseits Skua in eine sehr unangenehme Situation zu bringen – zumindest wäre das der Fall gewesen, wenn du richtig zugehört hättest. Hättest du ihn nicht unterbrochen, hätte er vielleicht sogar für dich herausfinden können, ob Cygnus einen Anteil an dieser Verschwörung hatte, deren Zweck ganz offensichtlich darin lag, der Königin die Wahrheit vorzuenthalten.«
»Oh!« Rabe lief dunkelrot an. »Ich dachte nicht …«
»Aber du mußt denken, wenn du herrschen willst.« Die alte Ärztin pochte mit ihrem Kelch auf den Tisch, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Dann griff sie nach der Karaffe und schenkte sich Wein nach. »Das Schlimme ist«, sagte sie, »daß du Zeit brauchst, um zu lernen, wie man regiert – und Zeit ist genau das, was du nicht hast, solange all diese Geier um dich herum sind. Du brauchst jemanden, der stark genug und klug genug ist – und genug Autorität besitzt –, um dir Halt zu geben, bis du auf eigenen Beinen stehen kannst. Also, da soll mich doch … Sieh nur, was ich getan habe!« Plötzlich merkte sie, daß ihr Becher überlief, und sie setzte die Flasche mit einem leisen Fluch ab.
»Du solltest das wegwischen«, bemerkte Rabe mit einem kecken Grinsen, »bevor es den Tisch ruiniert.«
Elster kicherte. »Siehst du, du kannst sehr scharfsinnig sein, wenn du willst – der beste Beweis dafür ist, daß du dich immer wie ein verwirrtes kleines Mädchen benimmst, wenn du verhindern willst, daß Skua die Position des Hohepriesters auch offiziell erhält.« Nachdem Elster ein großes, zweckdienliches Taschentuch aus den Falten ihrer Robe herausgeangelt hatte, ging sie daran, den vergossenen Wein aufzutupfen. »Solange er nur amtierender Hohepriester ist, hast du ihn ganz hübsch in deiner Gewalt.«
»Oh, Aguila hat mir
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