Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
nassen, durchgefrorenen und verdreckten Xandim zusammenscharten, denen es in diesem Sturm nicht gelungen war, ihre Zelte aufzubauen. Jetzt drängten sie sich hinter den Magusch auf der Landspitze zusammen und schauten sie erwartungsvoll an.
Anvar verstand Aurians Besorgnis. Die letzten Tage waren für keinen von ihnen einfach gewesen. Als Rudelfürst hatte Schiannath viele der Pferdeleute überreden können, ihn und Chiamh nach Norden zu begleiten, um Aurian bei ihrem Feldzug beizustehen, aber es hatten sich auch viele mahnende Stimmen erhoben. Wenn es jetzt zu lange dauerte, bis sie ein geeignetes Transportmittel fanden, um über das Meer zu kommen, dann würden sich auch die Freiwilligen möglicherweise noch einmal anders entscheiden.
»Möchtest du, daß ich uns davon befreie?« Anvars Hand stahl sich in seinen Umhang, um die Harfe der Winde zu berühren, die er sich mit Lederriemen auf den Rücken geschnallt hatte. Eine herrliche Melodie von Sternengesang hallte in seinem Kopf und sandte ein köstliches Schaudern über seinen ganzen Körper, als er den Kristallrahmen berührte. Anvar biß die Zähne zusammen, um dieser Verlockung zu widerstehen. Denn er hatte es bisher noch nicht geschafft, die Macht des Artefakts ganz zu zähmen, und die Harfe versuchte immer wieder, ihn mit ihrer Sirenenmusik dazu zu bringen, ihre Magie auf die Welt loszulassen.
»Anvar – warte!« Aurian fing seine Hand auf. Sie wußte aus ihren eigenen frühen Erfahrungen mit dem Stab der Erde von seinen Schwierigkeiten, die Harfe unter Kontrolle zu halten, und hatte ihm in den vergangenen Tagen ungeheuer geholfen. Als sie seinen Seufzer hörte, drückte sie mitleidig seine Hand. »Keine Angst – du wirst sicher bald deine Chance erhalten. Aber da dieser verwünschte Sturm jetzt schon seit zwei Tagen bläst, kann niemand wissen, wie lange er noch andauern wird. Wenn wir Parrics Nachtfahrerfreunde dazu bewegen könnten, uns ihre Schiffe zu schicken, brauchen wir dich vielleicht, um den Ozean zu beruhigen, damit wir die Überfahrt wagen können. Wenn wir uns in diesem Stadium zu sehr ins Wetter einmischen, könnte das die Probleme später noch verschlimmern.«
»Aber wie willst du den Leviathan dann erreichen?« wandte Anvar ein.
»Ich werde mich jetzt auf die Suche nach ihm machen.« Aurians Gedankenstimme duldete keinen Widerspruch. Sie hatte bereits die Hände gehoben, um ihren Umhang zu öffnen. »Ich will verdammt sein, wenn ich hier noch länger rumstehe und warte.«
»Aurian, das ist Wahnsinn!« Anvar hielt ihre Hände fest. »Du bringst dich um.« Seine alte Angst vor tiefem Wasser kehrte plötzlich zurück und drohte, ihn zu überwältigen.
»Keine Angst.« Ganz sanft befreite sich Aurian aus seinem Griff. »Wenn ich das wirklich befürchtete, würde ich diese Sache nicht mal in Erwägung ziehen, glaub mir – nicht jetzt, da ich dich und Wolf habe.« Ihre Gedankenstimme wurde weicher, und sie lächelte ihm zu. »Weißt du nicht mehr, daß es für eine Magusch unmöglich ist, zu ertrinken? Außerdem war der Sturm in jener Nacht des Schiffsunglücks viel schlimmer als heute, und damals haben wir beide mit Hilfe des Leviathans überlebt. Ich muß lediglich darauf achten, daß die Felsen mich nicht in Stücke reißen, und wenn du zur östlichen Seite der Landzunge schaust, wirst du eine Art Meeresarm sehen. Wenn ich dort an der richtigen Stelle ins Wasser gehe, müßte die Strömung mich eigentlich von den Felsen wegführen.«
»Was?« fragte Anvar. »Hast du den Verstand verloren?«
»Nein – nur die Geduld«, erwiderte Aurian, während sie sich, wahrscheinlich zum hundertsten Mal, das Haar aus den Augen strich, das der Wind ihr ins Gesicht wehte. »Wenn ich von meiner letzten Begegnung mit den Leviathanen ausgehe, denke ich, daß sie vielleicht eine Weile brauchen, bis sie sich dazu durchringen, uns zu helfen. Wenn ich jetzt Kontakt mit ihnen aufnehmen und ihnen unsere Lage schildere, können wir alle in diese Fischersiedlung zurückkehren, an der wir vorbeigekommen sind, um ganz bequem abzuwarten; und wenn alles gutgeht, können die Boten aufbrechen, sobald sich der Sturm gelegt hat.«
Anvar seufzte. Er kannte das sture Glitzern in den Augen seiner Seelengefährtin und wußte, daß er sie nicht von ihrer Idee würde abbringen können, sosehr er sich auch anstrengen mochte. Es würde eine Menge Zeit sparen, wenn er sich einfach dem Unvermeidlichen beugte, ihrem Urteil vertraute und sie ziehen ließ, damit sie die Sache
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