Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
dann hatten sie mit erschreckender Plötzlichkeit die Spitze umrundet und gelangten in ruhigere Gewässer. Zanna rieb sich mit den Knöcheln das brennende Meereswasser aus den Augen und steuerte so konzentriert wie nie zuvor durch das trügerische Felsenlabyrinth, das den Eingang zu der geheimen Höhle der Nachtfahrer verbarg. Sie zermarterte sich das Gehirn, um sich an die genaue Position der Felsen vor der Höhle zu erinnern, und kniff die Augen zusammen, um die weißen Gischtspritzer zu erkennen, die in der Dunkelheit den Standort dieser Felsen verrieten. Einmal fluchte sie laut, als sie hörte, wie der Kiel über einen Stein knirschte – und dann, als sie beinahe schon in Sicherheit waren, vollführte das schwankende Boot einen Satz und schleuderte sie alle von ihren Plätzen. Man hörte das scharfe, häßliche Splittern einer berstenden Planke, und noch während sich Zanna aufrichtete, spürte sie den eisigen Wirbel von Wasser um ihre Füße.
»Du mußt weitersteuern!« schrie Tarnal, als er das Boot mit seinem Ruder von dem Felsen abstieß. »Wir sind fast da. Wir können es immer noch schaffen!«
Und so war es tatsächlich. Als die müden Flüchtlinge ihr schlingerndes Boot in die Höhle steuerten, erschien die ganze Schmugglergemeinschaft, um sie auf dem silbrig leuchtenden Strand innerhalb der riesigen Höhle zu begrüßen, allen voran Remana, die angesichts der sicheren Rückkehr ihres Sohnes Freudentränen weinte. Bereitwillige Arme wurden ihnen entgegengestreckt, um das lädierte Boot ans Ufer zu ziehen und die Neuankömmlinge willkommen zu heißen.
Yanis konnte den Blick nicht von der schönen, flachsblonden Fremden abwenden, die zwischen Remana und einem großen, weißen Hund am Strand stand, aber Zanna bemerkte es nicht. Sie sah Tarnal an. »Du hast dich verdammt gut geschlagen – und du hast uns durchgebracht«, sagte er zu ihr. »In der Dunkelheit und bei einem Seegang wie diesem hätte ich selbst nicht besser steuern können. Jetzt kannst du dich wirklich und wahrhaftig eine Nachtfahrerin nennen.«
Zanna lächelte glücklich, und ihr Herz bebte vor Stolz. »Es ist schön, wieder zu Hause zu sein«, sagte sie leise. Und Tarnal streckte lächelnd eine Hand aus, um ihr ans Ufer zu helfen.
23
Sturmfront
Die Elemente waren in Aufruhr. Die glatten, schwarzen Felsen der Xandimküste verloren sich unter den gnadenlosen, weißen Fangzähnen der Wellenbrecher. Eine anschwellende, stahlgraue Brandung wogte gegen die unverwüstlichen Steine am Ufer. Der Sturmwind heulte seine eigene schrille Melodie, die sich in das donnernde Dröhnen der Brandung einfügte, in das Brüllen und Fauchen der bezwungenen Wellen. Ein salziger Nebel, der seinen Ursprung in der vom Wind aufgepeitschten Gischt hatte, legte eine klebrige Schicht auf Aurians Haut und brannte in Anvars eiskaltem Gesicht, während er in die Düsternis spähte. Die Magusch leckte sich den Salzgeschmack von den Lippen und zog die Kapuze ihres Umhangs noch fester um den Kopf.
»Das mußte wohl früher oder später passieren!« rief sie, wobei sie ihre Worte gleichzeitig in Gedanken wiederholte, so daß Anvar sie trotz des Heulen des Sturmes hören konnte. Die beiden Magusch waren ein kleines Stück von Chiamh und den großen Katzen weggegangen, um über dieses neue Problem zu sprechen, mit dem sie nun fertigwerden mußten. »Das war zu erwarten, nachdem Eliseth der Welt so lange ihren Winter aufgezwungen hat. Anschließend haben wir dann einen für die Jahreszeit viel zu warmen Frühling geschaffen … Es wird einige Zeit dauern, bis sich die Elemente beruhigt haben.«
»Ich hoffe nur, wir haben nicht zu großen Schaden angerichtet – das ist ein ziemliches Unwetter. Der Sturm weht jetzt schon seit zwei Tagen und zwei Nächten.« Anvar biß sich auf die Unterlippe und schaute stirnrunzelnd über den aufgewühlten Ozean. Er fragte sich, wie seine Seelengefährtin es fertigbrachte, so ruhig zu klingen.
Aurian zuckte mit den Achseln. »Eliseth hat damit angefangen. Ich bezweifle, daß wir mit unserem Versuch, das wieder in Ordnung zu bringen, noch mehr Schaden angerichtet haben. Schließlich ist die Welt viel größer, als wir ermessen können – selbst mit unserer Magie. Das Wetter nimmt einfach wieder seinen gewohnten Zyklus auf. Nur … Ich wünschte, es hätte sich nicht ausgerechnet jetzt dazu entschlossen. Was uns betrifft, hätte es zu keinem schlechteren Zeitpunkt sein können.« Sie schaute über die Schulter, wo sich die
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