Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
er könnte dem Strom dessen, was sie nun sagen würde, Einhalt gebieten. Aber er wußte schon jetzt, daß es unmöglich sein würde, unmöglich und unklug.
»Gehe ich recht in der Annahme, daß man Phaeriemagie braucht, um die Xandimpferde fliegen zu lassen?« fragte Maya.
D’arvan nickte. Die Richtung, die ihre Gedanken einschlugen, überraschte ihn. »Die Magie liegt sowohl bei den Pferden, als auch bei den Phaerie. Sie können nur gemeinsam fliegen.«
Maya biß sich auf die Lippen und wandte den Blick von ihm ab. Sie starrte aus dem Fenster, als faszinierten sie die Schatten des von Lampen erleuchteten Raums vor dem Hintergrund des schwarzen Mitternachtshimmels. »Dann kannst du es tun«, sagte sie endlich.
»Was tun?«
Maya umklammerte seine Finger mit eisernem Griff, und ihr Gesicht glühte vor Aufregung. »D’arvan, geh zurück zu Hellorin und verhandle noch einmal mit ihm. Du mußt zu Aurian zurückkehren, und du mußt Chiamh und Schiannath mitnehmen. Fliegende Rösser sind für Aurian vielleicht genau der Trumpf, dessen sie noch bedarf.«
»Weib, hast du den Verstand verloren?« explodierte D’arvan. »Hast du mir nicht zugehört, als ich dir alles erklärt habe? Hellorin möchte, daß ich bleibe und Nexis regiere. Ich bin sein Erbe, wie er sich ausdrückt – sein einziger Sohn. Er wird mich auf keinen Fall noch einmal entfliehen lassen!«
»Er wird es, wenn ich als Geisel für deine Rückkehr zurückbleibe«, wandte Maya halsstarrig ein.
D’arvan bedachte sie mit einem finsteren Blick, in dem sich Zorn und Erschrecken mischten. »Maya, wenn du auch nur einen Augenblick lang denkst, ich würde eine Wiederholung der heutigen Ereignisse riskieren …«
Mayas Augen blitzten schelmisch auf. »Aber ich habe mir etwas ausgedacht, wie Hellorin seinen Erben behalten und ich gleichzeitig für meine Sicherheit sorgen kann. Niemand würde es wagen, mir ein Leid zuzufügen, D’arvan – nicht wenn ich dein Kind unterm Herzen trüge.«
15
Wyvernesse
Jetzt, da der Fluß nicht länger bis nach Nexis floß, mußten die Nachtfahrer ihre Waren auf anderen Wegen in die Stadt hinein- beziehungsweise aus der Stadt herausschmuggeln. Aurian und ihre Gefährten brachen in dieser Nacht im Schutz der Dunkelheit auf; sie nahmen mehrere Kunstwerke nexianischer Handwerker mit und reisten in fröhlich bemalten Wagen, die ihrem äußeren Anschein nach ein fahrender Jahrmarkt zu sein schienen. Die Magusch lächelte über diese phantasievolle Methode, illegale Güter zu transportieren. Ich wette, das war Zannas Idee, dachte sie.
Etwas Derartiges wäre unter der Herrschaft der Magusch nie passiert – um genau zu sein, war dies der erste fahrende Jahrmarkt, den Aurian je zu Gesicht bekommen hatte. Miathan hatte dem fahrenden Volk schon vor vielen Jahrzehnten den Zutritt nach Nexis verwehrt, weil solche Vagabunden mit ihren diebischen Sitten und ihrer unbeschwerten Art allein durch ihre bloße Anwesenheit bei den Städtern für Unruhe sorgen konnten. Aber als Verkleidung war der Jahrmarkt ideal. Zum einen war es sehr befriedigend, sich sozusagen vor aller Augen verstecken zu können, und zum anderen hatten achtbare Leute die Neigung, einen großen Bogen um die Reisenden zu machen. Im allgemeinen lebte das fahrende Volk sehr abgeschieden und zeigte sich Fremden und Außenseitern gegenüber feindselig – oft mit gutem Grund. Außerdem standen die Zigeuner in dem Ruf, notorische Diebe zu sein, daher näherten sich ihnen die Leute klugerweise mit großer Vorsicht, wenn überhaupt.
»Halt! Nicht weiter!«
Die Wagenkarawane hatte offensichtlich die Stadtgrenzen erreicht. Die Magusch, die sich in die nach Heu duftende Dunkelheit ihres Wagens kauerte, drückte die Daumen, als der Wagen zum Stillstand kam. Wenn wir nur an diesen verfluchten Wachen vorbeikommen, dachte sie. Sie preßte ein Ohr an die dicken Bretter, so daß sie jedes Wort des Gespräches draußen verstehen konnte.
Als der Wachposten zu den Waggons kam, hörte sie das Knarren von Leder. »Wer ist für diesen Haufen Schutt verantwortlich? Weist euch aus.«
Die zweite Stimme war klangvoll und wohltönend – und sehr, sehr laut. »Ich, mein Herr, bin der Große Mandzurano«, erscholl es. »Ich bin der Herr dieser außergewöhnlichen Truppe.«
Aurian grinste. Sie war dem Großen Mandzurano nur kurz begegnet, aber sie hatte bereits herausgefunden, daß er der Sohn eines ehemaligen Seilmachers aus Osthafen war, und sein Name lautete in Wirklichkeit Tharbutt.
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