Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
umklammert. Augenblicklich schlossen sich die biegsamen, grünen Reben um ihren Leib und schnitten schmerzhaft in Mayas Gliedmaßen, bis sie kaum noch Luft bekam. Als die Ranken sich weiter zuzogen, bohrten sich die langen, scharfen Dornen tief in ihr Heisch.
Maya fiel zu Boden und krümmte sich, so daß die unzähligen Krallen der Rose noch tiefer in ihre Haut drangen. Halb erstickt lag sie da und konnte nicht einmal schreien. Sie vernahm bereits ein schrilles Summen in den Ohren, und eine funkelnde Schwärze trat ihr vor die Augen …
»Du erbärmliche Kreatur, laß sie los!«
Das Brüllen war so laut und zornerfüllt, daß es sogar bis in die tiefe, dunkle Grube drang, in der Maya sich in Qualen wand. Sie hörte ein wildes, sirrendes Geräusch, dann ein lautes Krachen, das wie eine gewaltige Explosion klang, und schließlich einen Schmerzensschrei. Mit einemmal waren die erstickenden Dornen verschwunden, und Maya rang dankbar nach Luft. Mit einem lauten Knall schwang das Tor auf, und ihr Blick wurde langsam wieder klar. D’arvan kniete über ihr, und in seinen diamanthellen Augen standen Zorn und ungeweinte Tränen.
Als der Magusch sie vom Boden aufhob und sie von der Sklavenhöhle wegtrug, fiel Mayas Blick auf den weiblichen Wachposten, der in sich zusammengesunken vor der Mauer lag. Das Gesicht der Frau wurde von einem blasigen Brandmal entstellt, als hätte man sie mit einer feurigen Peitsche geschlagen.
»Nie wieder«, stieß D’arvan hervor. »Nie, nie wieder!« Er hob die Stimme. »Hört mich an, ihr Phaerie!« rief er mit rauher Stimme. »Wenn einer von euch dieser Frau jemals auch nur ein Haar krümmt – wenn er sie auch nur unfreundlich ansieht, werde ich ihm jeden Zoll Heisch von seinen erbärmlichen Knochen brennen. Ich bin der Sohn des Waldfürsten – ihr wißt, daß ich dazu fähig bin. Und um euretwillen solltet ihr mir besser glauben, daß ich es auch tun werde.«
Maya wollte ihm sagen, wie froh sie war, ihn zu sehen, aber im Augenblick fehlte ihr dazu der Atem.
Als er sie auf das Sofa im Turmzimmer legte, keuchte Maya vor Schmerz auf; selbst der seidige Stoff bereitete ihrem zerschundenen Heisch neue Qual. Ihr bleicher Körper war mit Verletzungen übersät, und jeder qualvolle Atemzug schmerzte sie. Obwohl D’arvan kein Heilkundiger war, hatte die Lady Eilin ihm doch die Techniken beigebracht, die man benötigte, um Schmerz zu unterdrücken, Blutungen zu stillen und einfache Wunden zu schließen. Es genügte jedoch nicht, um seine Schuldgefühle zu tilgen. Als die Anspannung des Schmerzes langsam aus Mayas Zügen wich, sprang D’arvan auf und lief in dem Turmzimmer auf und ab. Er fühlte sich außerstande, sich der Verdammung zu stellen, die schon bald in ihren Augen aufflackern würde. »Ich würde dir keinen Vorwurf machen, wenn du mich haßt«, brachte er schließlich kläglich hervor. »Es ist alles meine Schuld. Ich hätte nie zulassen dürfen, daß sie dich wieder zu den anderen brachten.«
»Rede nicht so dummes Zeug, mein Liebster – dafür haben wir keine Zeit.«
Erstaunt fuhr D’arvan herum. Maya hielt ihm die Hand hin, und in ihrem Gesicht stand ein Ausdruck liebevoller Verzweiflung. »Komm her und setz dich«, sagte sie mit heiserer, rauher Stimme. »Das heißt, wenn ich es mir recht überlege, bring mir erst etwas zu trinken – und setz dich dann.«
»So«, sagte sie, als er ihren Wunsch erfüllt hatte, »laß uns diese Sache ein und für allemal aus der Welt schaffen. Es ist nicht deine Schuld, daß dein Vater seine Sklaven so behandelt, und es war nicht deine Schuld, daß man uns in die Höhle zurückgebracht hat – das lag daran, weil dieser Heißsporn Parric die Fassung verloren hat.«
»Ich hätte eher zu dir kommen müssen …«
»D’arvan, halt den Mund. Es ist geschehen – und zumindest wird diese Wächterin es sich in Zukunft zweimal überlegen, bevor sie Sterbliche mißhandelt.« In ihren Augen blitzte boshafte Schadenfreude auf. »Es gefällt mir übrigens, was du mit ihrem Gesicht gemacht hast ich hoffe, sie hat ihre Lektion gelernt.« Sie drückte ihm fest die Hand. »So, und nun hör mir zu. Ich habe nachgedacht …«
D’arvan verspürte bei ihren Worten einen Hauch von Unwohlsein – wie ein Finger aus Eis, der sein Rückgrat hinunterstrich. Er kannte Maya gut, und ihr energischer, sachlicher Tonfall ließ darauf schließen, daß ihm ihre nächsten Worte nicht im mindesten gefallen würden. Er blickte in das geliebte Gesicht und wünschte,
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