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Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara

Titel: Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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herübergeschlendert und stieß mit wedelndem Schwanz eine kalte Nase in die Hand des Diebs. Grince zerzauste das seidige, weiße Fell des Tieres, ließ sich auf die Knie fallen und schlang die Arme um den massigen, zotteligen Hals. Die Tränen rannen ihm übers Gesicht.
     
    Emmie blickte auf den Jungen hinab und versuchte sich daran zu erinnern, wo sie ihn schon einmal gesehen hatte. Er gehörte nicht zur Gemeinschaft der Nachtfahrer, und doch, und doch … Die Erinnerung lauerte foppend in ihrem Hinterkopf, aber bisher vermochte sie sie nicht ans Licht zu zerren. Sie war sicher, daß der Junge älter sein mußte, als er aussah – seine gedrungene Statur und sein zerzaustes Aussehen waren trügerisch – und doch konnte er höchstens zwanzig sein, wenn überhaupt. Und warum war er so auf Schneesilber geflogen? Der weiße Hund schien für ihn unendlich wichtig zu sein. Es widerstrebte ihr, eine solche Szene zu stören, aber nach einem kurzen Augenblick des Zögerns streckte Emmie sanft eine Hand aus und berührte den Fremden an der Schulter. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    Der Junge zuckte zusammen und blickte zu ihr auf. Nach und nach wurde sein Blick klarer und gefaßter, als komme er langsam von einem sehr, sehr fernen Ort zurück. Er zog die Nase hoch und rieb sich mit seinem zerlumpten Ärmel übers Gesicht. Dann rappelte er sich hoch und umfaßte zu ihrem Erstaunen und leisen Erschrecken mit festem Griff ihre Hand. »Emmie, erinnerst du dich nicht mehr an mich? Ich bin es, Grince – aus Nexis. Du hast mir die Welpen gegeben …«
    »Grince …?« Während die Erinnerungen auf sie einstürmten, verwandelte sich sein schmutziges, unrasiertes Gesicht wieder in die mageren, ungesunden Züge des vernachlässigten, hungernden Kindes, das sie aus den schmutzstarrenden Hintergassen von Nexis gerettet hatte.
    Grinces Gesichtsausdruck änderte sich plötzlich, und er wandte sich mit finsterer Miene von ihr ab.
    »Egal«, murmelte er. »Vergiß es. Warum solltest du dich auch an mich erinnern?«
    »Nein! Warte! Grince, natürlich erinnere ich mich.« Obwohl er einen gewissen Widerstand leistete, packte Emmie ihn an der Schulter und zog ihn wieder zu sich herum. Dann berührte sie ganz sanft sein Gesicht. »Wirklich, ich erinnere mich«, sagte sie leise. »Du bist mit einem Messer auf mich losgegangen und hast mir gesagt, ich soll mich verpissen, und …«
    »Und du hast mich zu dem weißen Hund und den Welpen geführt«, beendete der junge Mann ihren Bericht. »Du warst der erste Mensch, der jemals freundlich zu mir war.« Seine Stimme klang belegt, so sehr hatte ihn dieses Wiedersehen aufgewühlt.
    »In all diesen Jahren dachte ich, du wärest tot.« Als sie ihn in ihre Arme nehmen wollte, spürte Emmie plötzlich, daß die Last der Vergangenheit leichter geworden war, und eine der Wunden, die sie aus jenen furchtbaren, tragischen Tagen zurückbehalten hatte, war endlich verheilt. Sie zog an Grinces Hand. »Komm mit mir in mein Quartier. Wir haben uns so viel zu erzählen – ich möchte alles von dir wissen. Ich kann einfach nicht glauben, daß du es geschafft hast, diese furchtbare Nacht zu überleben. Komm …« Sie schob einige der Pasteten, die zum Abkühlen auf dem Tisch lagen, zusammen und schlug sie in ein Tuch ein. »Diese Bande kann sich ausnahmsweise mal selber ihr Abendessen machen.«
     
    Zanna ging mit entschlossenem Schritt den Flur hinunter. Zwei plappernde junge Nachtfahrermädchen folgten ihr mit frischer Wäsche, Staubtüchern und Besen. Zanna war unterwegs, um das Quartier für ihre Gäste bereitzumachen, eine Aufgabe, die sie freiwillig in der Hoffnung übernommen hatte, daß die Arbeit ihr helfen würde. Noch immer verspürte sie eine heiße Scham angesichts der Feindseligkeit, mit der Dulsina die Magusch empfangen hatte. Es ist meine Schuld, dachte sie zum hundertstenmal. Ich wußte doch ganz genau, wie es seit Vaters Entführung um Dulsinas Verstand steht. Ich hätte sie niemals in Aurians Nähe lassen dürfen … Ihre übrigen Gedanken verloren sich in einer Woge stumpfen Schmerzes, die jede Erinnerung an Vannor begleitete – und es war nicht nur ein Gefühl des Verlustes, sondern auch des Verrates. Ich habe ihn schon verloren, bevor die Phaerie ihn holten, dachte sie. Nachdem er vergiftet worden war, war er nie wieder derselbe.
    Zanna schüttelte den Kopf und schob die traurigen Gedanken von sich. Schließlich gab es so vieles in ihrem Leben, wofür sie dankbar sein mußte – vor allem

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