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Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara

Titel: Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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als sie den Vorhang am anderen Ende des Raumes zurückzog. Dahinter befand sich ein kurzer Flur mit drei Türen, die davon abzweigten. Die einzige Tür auf der rechten Seite stand einen Spalt breit offen, und Emmie drückte sie nun vollends auf. Dann trat sie zurück und bedeutete ihm, voranzugehen. »Ich glaube, da drin ist jemand, der dich vielleicht gern kennenlernen würde«, sagte sie. Grince sah das Zwinkern in ihren Augen und wunderte sich, aber als er durch die Tür trat, erfaßte ihn eine jähe, unerklärliche Woge der Erregung.
    Die behagliche Kammer war eine Art Werkstatt. In einem kleinen Topf auf dem Schreibtisch befanden sich eine Vielzahl von Federn, und auf den Regalen türmten sich Bücher und Schriftrollen. Ein Schränkchen, zwei große Truhen, zwei harte Stühle und eine niedriges Holzsofa stellten den Rest des Mobiliars dar. In einer Ecke stand ein kalter Ofen, und die Deckenlampe verströmte nur ein schwaches Leuchten.
    Aber all diese Einzelheiten traten in den Hintergrund, als Grince die Bewohner des Sofas sah. Dort lag zusammengerollt auf den Kissen Emmies Hund – und neben ihr saß ein kleiner Welpe, der seinem Krieger wie aus dem Gesicht geschnitten war.
    Grince stand fassungslos da, verloren in Erinnerungen an einen kleinen Jungen und ein Hündchen, die in einer harten und gefährlichen Welt allein ihren Weg hatten finden müssen. Der kleine Hund sah ihn an und bellte kurz, ein hohes, klares Geräusch. Dann sprang er unbeholfen vom Sofa und rannte auf ihn zu; er wedelte mit seinem zotteligen Schwanz, und als Grince in die Hocke ging, sprang das Tier auf, legte ihm die Pfoten auf die Schultern und leckte ihn am Ohr, bis er zu lachen begann.
    »Erstaunlich. Er mag dich, und das kommt wahrhaftig nicht allzu häufig vor.« Hinter dem Dieb ertönte Emmies leise Stimme. »Er ist fünf Monate alt – der einzige, der von dem letzten Wurf noch übrig ist. Ich wollte ihn für mich behalten, weil er Sturm so ähnlich sah. Sein Name ist Frost – und wenn du ihn haben willst, Grince, gehört er dir.«
     
    Es war lange her, seit Aurian das letzte Mal einen Flügel geheilt hatte. Sie hatte sich zuerst den gesunden Flügel genau ansehen müssen, bevor sie nach seinem Vorbild versuchen konnte, den verletzten so gut sie konnte zusammenzuflicken. Schließlich richtete sie sich auf, rieb sich den schmerzenden Rücken und reckte sich. »So – wie fühlt sich das an?« fragte sie Linnet.
    »Besser, glaube ich.« Das Mädchen öffnete vorsichtig ihren Flügel und streckte die große, gefiederte Schwinge so weit aus, wie die enge Kammer es zuließ. »Ja, wirklich!« Ihr Gesicht leuchtete auf. »Ich kann ihn wieder bewegen. Er fühlt sich an, als wäre er so gut wie neu!«
    »Nun, nicht ganz«, erklärte die Magusch ihr. »Du wirst Flugfedern brauchen, bevor du dich wieder in die Luft erheben kannst, und ich fürchte, die kann ich nicht reparieren. Du wirst warten müssen, bis dir neue wachsen.«
    Sie blickte auf das geflügelte Mädchen hinab und schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich ein unglaubliches Risiko eingegangen, weißt du das? Und du kannst von Glück sagen, daß du deine Torheit nicht mit dem Leben bezahlt hast. Was war denn so furchtbar wichtig, daß du dein Leben aufs Spiel setzen mußtest, um hierherzukommen?«
    Linnet zuckte die Achseln – was in dem engen Raum für ein Mitglied der geflügelten Rasse nicht unbedingt ratsam war. Ein Becher, den sie mit einer weit ausholenden Flügelspitze gestreift hatte, rollte vom Tisch, und Aurian fing ihn gerade noch rechtzeitig auf, bevor er zu Boden fiel. Das geflügelte Mädchen kümmerte sich nicht darum. »Ich mußte kommen – es war unsere einzige Chance«, erklärte es.
    Aurian runzelte die Stirn. »Aber Königin Rabe wäre doch niemals so unvernünftig gewesen, dich zu schicken …«
    »Es gibt keine Königin Rabe mehr …«
    »Was?«
    Linnet zuckte zusammen. »Nein, es ist schon gut. Ich meine, ihr geht es gut – oder jedenfalls ging es ihr gut, als ich aufbrach. Es ist nur … Sie ist nicht länger Königin von Aerillia.«
    »Und warum nicht?« Die Stimme der Magusch klang gefährlich gelassen.
    »Ich werde versuchen, es zu erklären, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es selbst verstehe«, antwortete Linnet. »Um genau zu sein, weiß ich nicht mal, ob überhaupt irgend jemand es versteht – abgesehen von den Priestern.«
    Aurian biß sich auf die Lippe, zählte bis zehn und rief sich ins Gedächtnis, daß Linnet noch sehr jung war.

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