Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Das Kind war bereits in ihr. Nachdem sie und D’arvan ihr Lager geteilt hatten, war die Phaeriefrau gekommen und hatte sie in einen Schlafzauber gewoben. Als sie wieder erwacht war, hatte sich D’arvans Samen in ihrem Leib eingenistet. Jetzt gab es kein Zurück mehr; der Handel war geschlossen. Es war meine eigene Idee, rief sie sich ins Gedächtnis. Der ganze Plan stammt von mir. Wenn irgend jemand an der Sache schuld hat, dann ich – ich und meine große Klappe! An ihrer Kehle konnte Maya Hellorins Kette spüren, die sie an ihren neuen Status erinnerte – ein glitzernder Kreis aus Kälte, der sich nie an die Temperatur ihrer Haut anzupassen schien. War das alles, was die Zukunft für sie bereithielt? Ketten?
D’arvan legte ihr einen Arm um die Schultern, und mit einem flauen Gefühl im Magen wurde ihr klar, daß die bloße Anspannung ihres Körpers ihre Ängste und Zweifel verraten hatte. »Es ist schon gut«, murmelte er. »Keine Angst – ich bin im Handumdrehen wieder da.«
Maya blickte zu ihm auf und prägte sich für die Zeit ihrer Trennung alle Einzelheiten ein, die sie erhaschen konnte: die Art, wie die Brise sein feines, helles Haar bewegte, die Art, wie das Morgenlicht dunkle Schatten zwischen den scharf hervortretenden Knochen seines Gesichtes schuf. Sie versuchte, den Blick Parrics zu meiden, der mit zwei Phaeriewachen und dem teilnahmslosen Vannor in der Nähe stand. Hellorin hatte erst in letzter Minute seine Erlaubnis gegeben, Vannor ziehen zu lassen, da er schließlich einsehen mußte, daß D’arvan ihm wirklich nicht helfen konnte. Obwohl man ihm die furchtbare Kette von seinem Hals genommen hatte, machte der Kavalleriehauptmann immer noch ein finsteres Gesicht. Er war von Anfang an gegen diesen Plan gewesen – er hatte bereits mehr als einmal zum Ausdruck gebracht, daß er sie, Maya, für verrückt hielt. Als sie jetzt Atem holte, um D’arvan zu antworten, erklang eine silberfeine Trompetenfanfare, und der Waldfürst trat aus seinem Palast. Er nickte der Menge herrlich gewandeter Phaerie zu; es waren allesamt Höflinge, die den Rasen säumten. »Bringt die Pferde!«
Maya ballte die Fäuste. Warum, verflucht noch mal, konnte Hellorin die Sache nicht einfach hinter sich bringen? Er hätte die Xandim hier warten lassen können, so wie alle anderen, aber nein … Hatten alle Könige dieses lächerliche Bedürfnis, sich zur Schau zu stellen?
In der kurzen Pause vor der Ankunft der Xandim wandte Hellorin sich an Maya und D’arvan, offensichtlich, um sie beide an sich zu ziehen. Wenn er das bei mir versucht, dachte Maya grimmig, schwöre ich, daß er am Ende seine Eier um die Ohren tragen kann, Phaerie hin, Phaerie her.
Glücklicherweise konnte der Waldfürst sich gerade noch bezähmen. »Seid ihr beide wohlauf, meine Kinder?« rief er.
D’arvan gab sich genauso großspurig wie sein Vater und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Es ist alles bestens, mein Fürst.«
Maya knirschte mit den Zähnen. Wenn mein Sohn jemals versucht, sich auch so zu benehmen, dachte sie, wird er eine Woche lang nicht sitzen können.
Bevor der Kriegerin selbst eine Erwiderung einfiel, kamen die beiden Xandim an: ein prächtiges, gewaltiges Schlachtroß mit einem dunkel gescheckten Fell aus Wolkenschwarz und Grau; daneben ein etwas kleineres Tier mit einem leuchtenden, kastanienbraunen Fell und zotteliger, rabenschwarzer Mähne und Schweif. Maya fiel es schwer, sich die beiden als Männer vorzustellen. Wie hatten sie wohl in ihrer Menschengestalt ausgesehen? Was mußte das für ein Leben sein, das man von der Geburt bis zum Tod als zwei verschiedene Wesen erlebte? Sie wünschte sich eine Gelegenheit, die beiden kennenzulernen und mit ihnen zu sprechen. Sie hatte nur eine flüchtige, nebelhafte Erinnerung an das eine Mal, als sie sie als Menschen gesehen hatte. Damals war sie diejenige gewesen, die die Gestalt eines Tieres trug, denn Hellorin hatte sie in ein Einhorn verwandelt. Bei diesem Gedanken spielte ein mürrisches Lächeln in die Züge der Kriegerin. Vielleicht unterscheiden wir uns doch nicht so sehr, dachte sie. Auch ich habe in der Gestalt zweier verschiedener Geschöpfe gelebt – aufgrund einer Laune des Waldfürsten hin.
Maya konnte spüren, daß D’arvan weiterdrängte, daß er es nicht erwarten konnte, endlich aufzubrechen, damit sein launenhafter Vater nicht zu guter Letzt doch noch seine Meinung ändern konnte. Dies war nicht der rechte Ort für Abschiedsszenen – er war zu öffentlich,
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