Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Spinne im äußeren Ring ihres Netzes. Denn obwohl Eliseth jetzt die wahre Herrscherin Aerillias war, hatten nur wenige der Geflügelten tatsächlich Kenntnis von ihrer Existenz. Hätten sie es gewußt, sie hätten niemals eine Magusch als ihre Herrscherin geduldet.
Eliseth schenkte sich heißen, gewürzten Wein aus dem Topf ein, der auf dem Metallrost des Ofens stand; dann setzte sie sich hin und zog sich eine Pelzdecke über den Schoß, um sich gegen die unvermeidliche Zugluft zu schützen. Diese elenden Geflügelten, dachte sie, schienen die Kälte überhaupt nicht zu spüren, aber sie selbst war leider weniger abgehärtet. Ihre Gemächer mit den gewölbten Außenmauern befanden sich in einem hängenden Turm, einem von mehreren, die unterhalb der Ebene des Tempels aus dem Berg emporragten. Die Möbel stellten eine seltsame, aber behagliche Mischung aerillianischen und nexianischen Stils dar, denn Eliseth hatte Skua und Sonnenfeder so lange in den Ohren gelegen, bis sie ihr ein ordentliches Sofa machen ließen statt der spindeldürren und schrecklich unbequemen Hocker, wie sie die Himmelsleute bevorzugten. Außerdem besaß sie jetzt auch ein richtiges Bett, auf dem sie sich ausstrecken konnte, sowie einen ordentlichen Zuber. Auf diese Weise blieb es ihr erspart, sich unter den eiskalten Wasserfall stellen zu müssen, der direkt von den Zisternen auf dem Gipfel zu ihnen herunterströmte. Man hatte ihr mittlerweile zwar eine Badewanne angefertigt, aber das Erhitzen des Badewassers war ein so langwieriger und Prozeß, daß sie nur selten in den Genuß eines Bades kam, das auch dann bestenfalls lauwarm war.
Nach Eliseths Maßstäben war das Quartier immer noch spartanisch, aber sie würde sich wohl noch ein Weilchen damit abfinden müssen. Erst vor wenigen Monaten war ihr dieser Ort nach der langen und anstrengenden Reise durch die Ebenen der Xandim als ein Hort der Behaglichkeit und des Luxus erschienen.
Die Berge hätten schließlich nicht nur den Plänen der Magusch, sondern auch ihrem Leben um ein Haar ein Ende gemacht. Eliseth hatte nie gelernt, in der Wildnis zu überleben. Sie war weder auf die bittere Kälte noch auf die harte, trostlose Umgebung oder die Erschöpfung vorbereitet gewesen, die sich mit jedem Tag anstrengenden Kletterns und der Mühsal, einen sicheren Weg finden zu müssen, verschlimmerte. Ohne ihr Wissen, das sie aus den Gedanken ihrer Xandim-Gefangenen zog, und ohne die Fähigkeit, das Wetter zu beherrschen, wäre sie gewiß umgekommen.
Als die Wettermagusch endlich in die Nähe von Aerillia gekommen war, hatte sie die beiden Xandim getötet und zum ersten Mal seit vielen Tagen wieder eine warme Mahlzeit genossen – bestehend aus Pferdefleisch. Anschließend hatte sie sich in einen schützenden Nebel gehüllt, im Gral die Stadt und ihre Umgebung beobachtet und auf ihre Chance gewartet. Mit derselben erfolgreichen List, mit der sie die beiden Xandim unter ihre Kontrolle gebracht hatte, schlug Eliseth schließlich abermals zu und fand an einem einsamen Ort ein weiteres vereinzeltes Opfer. Diesmal war es ein junges geflügeltes Mädchen gewesen, das zum Beerensammeln allein in die Berge gezogen war. Es war jämmerlich einfach gewesen, die Kleine zu töten – es hatte sich kaum zur Wehr gesetzt. Eliseth hatte ihr Opfer benutzt, um Skua und Sonnenfeder eine Botschaft zukommen zu lassen und den Zwischenfall dann aus dem Gedächtnis des Mädchens ausgelöscht. Sie lebte jetzt wieder ihr normales Leben in der Stadt: Ahnungslos, unwissend – eine Schachfigur, die jederzeit wieder ins Spiel gebracht werden konnte, falls die Magusch sie benötigte.
Zuerst hatte Eliseth mit dem Gedanken gespielt, den Gral zu benutzen, um die Königin selbst unter ihre Kontrolle zu bringen. Nach näherem Nachdenken schien dieser Plan jedoch zu viele Tücken zu haben. Erstens waren gewiß alle Mitglieder des königlichen Haushalts zu gut bewacht, als daß die Magusch sich ihrer bemächtigen und den Gral hätte benutzen können. Zweitens herrschten Rabe und Aguila gemeinsam und in solcher Harmonie, daß, falls der eine sich plötzlich merkwürdig benahm, der andere gewiß sofort Verdacht schöpfen würde. Daher wäre sie gezwungen gewesen, sich um beide gleichzeitig zu kümmern – was sie wieder zu ihrem ersten Problem zurückbrachte. Nein, es war für Eliseth bei weitem einfacher, ihr Werk durch Feinde des Throns in Angriff zu nehmen – ein Vorgehen, das für sie selbst weit ungefährlicher war.
Schließlich war
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