Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
alles war zu hektisch –, und außerdem hatten er und Maya sich bereits Lebewohl gesagt. D’arvan tauschte einige leise Worte mit seinem Vater, die Maya nicht hören konnte, dann umarmte er sie das letzte Mal für lange Zeit – vielleicht für immer … Die Kriegerin drückte ihn fester an sich. »Du solltest besser vorsichtig sein«, zischte sie ihm zu, »oder du hast zwei von uns auf dem Pelz.«
D’arvan lächelte. »Vertrau mir«, sagte er. »Es wird alles gut. Gib acht auf unser Kind, meine Liebste – niemand könnte das besser als du.« Dann war er fort. Es kostete Maya schier unmenschliche Anstrengung, nicht die leeren Arme nach ihm auszustrecken. Statt dessen ballte sie die Fäuste. Dann halfen die Phaeriewachen dem Kavalleriehauptmann, Vannor auf das große graue Pferd zu hieven, das Schiannath sein mußte; D’arvan stieg auf Chiamh, der über die Situation alles andere als glücklich zu sein schien. Er warf sich nach vorn und zerstampfte mit seinen gewaltigen Hufen den Rasen – bis der Magusch sich vorbeugte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Was auch immer D’arvan gesagt hatte, es schien wie Magie zu wirken. Seite an Seite sprangen die beiden Xandim schließlich in die Luft und eilten ihrer Freiheit entgegen. Ein Teil von Mayas Herzen ging mit ihnen – in einem einzigen, atemberaubenden Augenblick erfuhr sie Freude und Kummer und bitteren, bitteren Neid. Dann war der Himmel leer.
Hellorin legte ihr einen Arm um die Schultern. »Komm, meine kleine Wölfin. Jetzt bleibt dir nichts mehr zu tun, als für dein Kind zu sorgen und auf D’arvans Rückkehr zu warten.«
Eine der Birken in dem Wäldchen war zu hoch gewachsen und bei dem letzten Sommerunwetter einem Blitz zum Opfer gefallen. Yazour hackte den erdgebundenen Riesen zu Feuerholz für den Winter; er mußte diese Aufgabe nun so schnell wie möglich beenden, denn der Sommer glitt langsam in den Herbst hinein, und der Sonnenuntergang würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Im untersten Stockwerk des Turms auf der anderen Seite des Sees brannte schon eine Lampe, und er konnte einen schwachen Schimmer Maguschlicht einer Libelle gleich durch den Garten huschen sehen, wo Eilin zwischen den Gemüsebeeten einherging und die Zutaten fürs Abendessen auswählte. Der Abend war ruhig und friedlich; die einzigen Geräusche waren verschlafenes Vogelgezwitscher, durchmischt mit dem sanften Murmeln der kleinen Wellen am Seeufer und dem leisen Schmatzen Iscaldas, die ganz in seiner Nähe graste.
Er konnte später nicht sagen, was ihn genau in diesem Augenblick aufschauen ließ. Irgendein Instinkt, der ihm vielleicht von seinen fernen Tagen als Krieger zurückgeblieben war, lenkte seinen Blick nach Norden … »Beim Schnitter der Seelen!« Yazour ließ die Axt fallen. Im nächsten Augenblick saß er auf Iscaldas Rücken und galoppierte, verzweifelt nach Eilin schreiend, über die Brücke. Der Tag, den sie schon lange fürchteten, war schließlich gekommen. Die Phaerie kehrten ins Tal zurück.
»Hinein mit dir, Iscalda – da bist du sicherer.« Ohne jedes Zeremoniell öffnete Yazour die Turmtür und zog das Pferd in die Küche. Im Eingang stieß er auf Eilin, die gerade hinausgehen wollte. Die Magusch, die sein Schwert und ihren eigenen Stab trug, warf einen Blick auf die weiße Stute und trat beiseite, um Iscalda durchzulassen. »Dann sind nun also alle in Deckung«, sagte sie. »Keine Angst, Iscalda«, fügte sie mit einem zornigen Glitzern in den Augen hinzu. »Wir werden diesen verwünschten Hellorin schon bald wieder los sein.«
Yazour und Eilin nahmen Seite an Seite auf der Brücke, die zur Insel führte, Aufstellung. Die Phaerierosse waren jetzt schon sehr nahe. »Das sind ja nur zwei«, sagte Eilin verwirrt. »Das sieht aber gar nicht wie eine Invasion aus. Was führt Hellorin denn jetzt schon wieder im Schilde?«
Yazour schämte sich ein wenig, daß er zuvor derart in Panik geraten war. Als er die ersten Reiter gesehen hatte, hatte er nicht einmal so lange gewartet, bis er sie zählen konnte – er war einfach davon ausgegangen, daß ihnen ein Angriff bevorstand. »Könnte das vielleicht ein Trick sein?« fragte er.
Und dann trug der Wind ihnen das Geräusch von Stimmen entgegen, die ihre Namen riefen.
D’arvan stieg ein wenig steif vom Pferd; fast tat es ihm leid, daß dieser atemberaubende Ritt über den Himmel schon zu Ende war. Für kurze Zeit hatte er sogar verstanden, warum sein Vater so sehr darauf beharrte, seine
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