Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
laß ihn mit uns kommen. Du wirst es nicht bedauern.« Aurian blickte den Xandim-Seher fragend an und hob dann resigniert die Hände. »Na gut, Grince. Du kannst mitkommen – aber diesen Hund wirst du nicht mitnehmen können, fürchte ich. Es wäre einfach unpraktisch.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Zanna. »Martek wird sich um Frost kümmern, bis Grince zurückkommt.« Dann trat sie vor, um sie alle nacheinander zu umarmen. »Bitte«, sagte sie, »paßt gut auf euch auf, ihr alle – und kommt zu uns zurück, wenn dies hier vorüber ist.«
»Das werden wir«, sagte Aurian. Aber obwohl niemand den Gedanken laut auszusprechen wagte, wußte Aurian doch, daß sie alle dasselbe dachten – daß dies möglicherweise ihre letzte Begegnung war.
An diesem Abend gaben Izmir und sein Ältestenrat ein ausschweifendes Fest für die Nachtfahrer, und zum ersten Mal seit Tagen gönnte Zanna sich ein wenig Entspannung – bis der Anführer der Xandim selbst unerwartet das Gespräch auf die Magusch brachte. Er hatte Tarnal gefragt, ob die Nachtfahrer jemals irgendwelchen Kontakt mit den Phaerie gehabt hätten.
Tarnal schüttelte den Kopf. »Nein – den Göttern sei Dank –, vor denen konnten wir uns wenigstens verstecken. Für sie sind Sterbliche nicht mehr als Tiere.«
»Dann werdet ihr die Position der Xandim begreifen«, sagte Izmir grimmig. »Wie wir den Tag bedauern, an dem Angehörige unseres Volkes sich von verderbten Verrätern ihrer eigenen Rasse übers Meer locken ließen. Es waren natürlich nicht nur Leute unserer eigenen Rasse, sondern auch einige Magusch aus dem Norden beteiligt; die Magusch haben diese ganze traurige Angelegenheit überhaupt erst in Gang gebracht.« Er sah die Anführer der Nachtfahrer scharf an. »Und sie sind wirklich nie zurückgekehrt?«
Die Frage hatte Zanna nicht erwartet. Sie atmete scharf ein – und verschluckte sich an einem Bissen Fleisch. Augenblicklich brachen alle, die um sie herum saßen, in hektische Tätigkeit aus; jemand schlug ihr auf den Rücken, ein anderer gab ihr einen Becher Wasser und ein Dritter ein Tuch, mit dem sie sich ihre tränenden Augen abtupfen konnte. Als sie sich erholt hatte, war Tarnal Herr der Situation. »Es klingt doch sehr unwahrscheinlich, daß jemand sich erst in der Zeit verirrt und dann zurückkehrt«, meinte er glatt.
»Aber sie waren doch eure Freunde?« hakte Izmir nach.
»Ja«, sagte Zanna streitlustig. »Aber was spielt das für eine Rolle?«
Der Anführer der Xandim runzelte die Stirn. »Für mich keine, aber traurigerweise muß ich euch bitten, eure früheren Freunde zu vergessen – vor allem, wenn ihr euch mit irgend jemandem außerhalb dieser Gemeinschaft unterhaltet.« Er beugte sich mit ernster Miene vor. »Was uns betrifft, liegen die Dinge anders – wir haben schon seit vielen Jahren erfolgreich mit den Nachtfahrern gehandelt, und zwischen unseren Gemeinschaften hat sich ehrliche Freundschaft entwickelt.« Er sah erst Zanna an, dann Tarnal. »Eure Leute werden bei uns bleiben und ein Teil unserer Siedlung werden. Ihr verfügt über Fähigkeiten wie die des Schiffsbaus, die uns von großem Nutzen sein können.«
»Willst du damit sagen, daß wir in Schwierigkeiten geraten könnten, wenn allgemein bekannt würde, daß wir mit Aurian und den anderen befreundet waren?« wollte Tarnal wissen. »Warum?«
»Bitte – verurteilt mich nicht zu hart, und beraubt eure Leute nicht wegen dieser beklagenswerten Angelegenheit des sicheren Hafens, den sie so dringend benötigen. Auf eure Freunde wartet hier die Todesstrafe, falls sie jemals in den Süden zurückkehren sollten. Seit vielen Jahren sind überall in den Xandimländern Wächter postiert, die Ausschau nach euren Kameraden halten. Ich habe bezüglich der Magusch und der anderen strikteste Anweisungen, genau wie jeder Anführer in den Siedlungen entlang der Küste. Trifft man sie im Land der Xandim an, werden sie zunächst zur Festung gebracht und dann zum Berg des Blinden Gottes geführt.« Er seufzte. »Was dann geschieht, kann ich nicht mit Gewißheit sagen – die Entscheidung darüber bleibt dem Willen oder der Laune des Gottes überlassen. Ich fürchte jedoch, daß man sie opfern wird.«
Ein einsamer Xandimhirte, der auf den weiten, windgeplagten Ebenen an seinem Feuer lagerte, blickte auf und sah eine Schar dunkler Punkte über das Gesicht des Mondes streichen; sie flogen sehr hoch und sehr schnell. Er runzelte die Stirn. Was im Namen der Göttin war das? Die
Weitere Kostenlose Bücher