Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
stehenbleiben.
»Du hast recht«, erwiderte Aurian grimmig. »Diese widerlichen Ungeheuer haben Forral getötet.« Sie hob den Stab der Erde, und die Luft wurde von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag zerrissen. Plötzlich flammte der Raum in einem zischenden, smaragdgrünen Licht auf. »Ich erkenne dich, Kreatur«, fauchte Aurian. »Und ich kann dich in das ewige Vergessen zurückschleudern, das du verdienst.«
»Warte. Bitte. Nicht.« Obwohl die Worte bar jeden Gefühls waren, kamen sie doch hastig genug, um große Dringlichkeit zu übermitteln. »Die Nihilim können dir helfen, Magusch – wenn du es zuläßt.«
»Was?« Aurian stand wie vom Donner gerührt da. Von all den unheimlichen Dingen, die sie seit ihrer Rückkehr in die Akademie erlebt hatte, mußte dies hier das Bizarrste sein. »Du willst mir helfen?« Sie wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
»Aurian, nein. Du darfst diesem – diesem Ding nicht vertrauen.« Forral stand neben ihr, und seine Stimme klang tief und drängend. Sie sah, daß seine Hände – Anvars Hände – zitterten, und trotz der Kühle des Kellerverlieses war seine Haut von dem Schweiß großer Angst benetzt. Ihr Herz flog ihm entgegen. Armer Forral. Die Nihilim waren die einzigen Dinge, die der Schwertkämpfer wahrhaft fürchtete – und diese gräßlichen Geschöpfe hatten ihn schließlich auch getötet. Aurian verstand ihn – sie war dabei gewesen, als er starb, und die Todesgeister hatten sie mit demselben Entsetzen und Abscheu erfüllt. Aber dennoch – wenn diese Monstrositäten ihr irgendeinen Vorteil über Eliseth verschaffen konnten, durfte sie ihrer Furcht nicht nachgeben und diese Chance vertun.
Mit einem entschuldigenden Blick in Forrals Richtung drehte die Magusch sich wieder zu dem gräßlichen Geschöpf um, das die Maske ihres alten Freundes trug. »Na schön. Ich werde dich anhören – aber denke daran, daß du diesmal allein bist. Wenn du einen Schritt gegen mich oder meine Gefährten unternimmst, wird es dein letzter sein.«
»Ich verstehe.«
»Gut.« Aurian holte tief Luft. »Also, Todesgeist? Was willst du von mir? Ich bin nicht so dumm zu glauben, daß du mir deine Hilfe ohne eine Gegenleistung anbietest.«
In den unmenschlichen blauen Augen funkelte ein feuriges Licht auf. »Mein Volk braucht dich, Magusch. Ich möchte es befreien.«
Aurian spürte, wie ihr der Kiefer herunterklappte. Forral stand neben ihr und keuchte. »Was?« schrie er. »Du mußt verrückt sein! Die Nihilim auf die Welt loslassen? Hältst du Aurian für eine solche Idiotin?«
»Halt den Mund, Forral«, murmelte Aurian. Dann wandte sie sich wieder an den Todesgeist. »Also, hältst du mich für eine Idiotin?«
»Geduld, Magusch. Erlaube mir, mich zu erklären. Ich habe nicht den Wunsch, daß du uns in dieser Welt die Freiheit schenkst – wir gehören hier nicht hin. Ich möchte, daß du uns hilfst, in unsere eigene Heimat zurückzukehren.«
»Eure Heimat?« Aurians Augen weiteten sich. Sie vergaß ihre Furcht vor dem Geschöpf, denn wieder einmal regte sich die altbekannte Neugier der Magusch in ihr. »Und wo liegt eure Heimat?« fragte sie sanft.
Finbarrs glitzernde blaue Augen nahmen ein lebhaftes Funkeln an, und zum ersten Mal hörte die Magusch einen Anflug von Gefühl in der Stimme des Todesgeistes. »Wir waren nicht immer so, wie du uns jetzt siehst«, sagte er zu ihr. »Einmal lebten wir in Schönheit und in Anmut Zwischen den Welten. Wir waren die dunklen Engel des Todes – seine Diener, die in die Welt voranstürmten, um dem Schmerz und dem Leiden der lebenden Geschöpfe ein Ende zu machen. Wir gingen zu den Alten, den Kranken, den Unglücklichen und den Schwachen und trugen sie sanft nach Hause, so daß sie wieder in den Brunnen der Seelen eintreten und ein neues, strahlendes Leben beginnen konnten.«
Der Geist seufzte, und seine Stimme verdüsterte sich abermals. »All das waren wir und noch mehr – Hüter des Gleichgewichtes, Wächter des Portals – bis die verfluchten Magusch eingriffen, die Artefakte der Macht schufen und sich einmischten, wo sie nichts zu suchen hatten. In den Kriegen der Verheerung machte Chiannala uns zu Sklaven des Kessels, um uns von Gnadenspendern in eine tödliche Waffe zu verwandeln. Und so blieben wir über lange, ermüdende Zeitalter hinweg – gräßlich und verzerrt, unsere Kräfte verstümmelt und aus dem Gleichgewicht gebracht. Ohne uns ist der Tod für die sterblichen Geschöpfe zu einem furchtbaren Ding
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