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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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und anderen üblich war, die sich in die Wildnis wagten. Sein Gesicht, eingeschrumpft und fast vollständig schwarz verfärbt, war das eines kräftigen Mannes Mitte zwanzig, bereit, sich der Welt zu stellen. Oder dem, was noch davon übrig war.
    Hadrian bemerkte, wie niedergeschlagen der Gouverneur auf den Anblick reagierte. »Du hast ihn gekannt«, stellte er fest, während Buchanan die Laterne entzündete. »Du wusstest, wer er war, als du den Ring gesehen hast.«
    Buchanan zog den Ring aus der Tasche und hielt ihn ins Licht. »Wir haben sie letzten Frühling anfertigen lassen, damit sie uns zusammen mit einer Nachricht zurückgeschickt werden konnten, zur Beglaubigung der Echtheit.«
    Hadrian beugte sich vor und nahm den Ring genauer inAugenschein. In ihn waren ein Vogel und ein Baum eingraviert – Möwe und Kiefer, die Symbole der Flagge der Kolonie. »Er hat für dich gearbeitet.«
    »Es waren zwei«, erklärte Buchanan. »Ich habe sie im Zuge eines privaten Abendessens verabschiedet. Zur Fernerkundung.« Damit war die Erforschung bislang unbekannter Gebiete gemeint, um neue Quellen für verwertbares Material zu erschließen.
    Hadrian dachte an das letzte Frühjahr zurück. Normalerweise gab es vor solchen Erkundungsmissionen öffentliche Ankündigungen und Bankette. »Du hast ihren Auftrag geheimgehalten.«
    »Es waren Einmannunternehmen. Die beiden sollten noch vor dem Morgengrauen aufbrechen, dieser hier zu Fuß, der andere mit einem Segelkanu auf dem Seeweg. Der andere wurde drei Wochen darauf in einem Handelskahn aus der nördlichen Siedlung zurückgebracht.« Damit war die winzige Gruppe Überlebender gemeint, die sich mühsam am gegenüberliegenden Ufer durchschlug, 240 Kilometer entfernt. »Sie hatten ihn auf halber Strecke bäuchlings im Wasser vorgefunden.«
    Er musterte den Toten. »Dieser hier hieß Hastings und war einer unserer erfahrensten Waldläufer. Micah Hastings. Er hat sich sofort freiwillig gemeldet, als ich erwähnte, ich wolle vielleicht neue Scouts aussenden. Seine Mutter kommt jede Woche und fragt, ob wir etwas von ihm gehört haben.«
    »Er ist nie aufgebrochen«, sagte Hadrian und schaufelte mehr von dem getrockneten Schlamm beiseite. »Wieso sollte diese Erkundungsmission überhaupt geheim bleiben?«
    Buchanan ignorierte die Frage. »All die Monate habe ich mir ausgemalt, er hätte eine Straße gefunden, die passierbar und nicht vollständig zugewuchert ist. Dass er weit nach Süden vorgedrungen wäre und neue Bergungsquellen kartografierenwürde.« Bergungsquellen. Das war einer der Euphemismen, mit denen in der Kolonie die Ruinenstädte bezeichnet wurden, die man wegen des dort vorhandenen Metalls schätzte. Der technische Fortschritt der Menschheit war an die Entdeckung neuer Schrottplätze gebunden. Als Buchanan fortfuhr, klang seine Stimme irgendwie wehmütig. »Vor ein paar Nächten habe ich geträumt, Hastings habe eine kleine Herde Elefanten gefunden, die aus irgendeinem Zoo geflohen war, und würde sie herbringen.« Versonnen betrachtete er den aufgehenden Mond. »Glaubst du, es gibt noch Elefanten auf der Erde?«
    Allmählich gingen Hadrian Momente wie dieser gewaltig auf die Nerven: Momente, in denen Buchanan so tat, als wären sie immer noch alte Freunde. »Keine Ahnung. Vermutlich nicht.«
    Darauf folgte eine sonderbare Stille. Der Gouverneur umrundete den Leichnam. »Das Vieh, das sich gerade in seine Hand vergräbt«, murmelte er angewidert. »Schaff es weg.«
    Hadrian zögerte und hob dann die Laterne über die schwarze Hand, die zu einer Faust geballt war. Etwas Langes und Dünnes ragte daraus hervor. Er erkannte, dass es sich nicht etwa um einen Wurm handelte, wie Buchanan fälschlich vermutet hatte, sondern um einen schmutzverkrusteten Lederriemen. Als er daran zog, entglitt dem Griff des Toten ein flaches Oval, irgendein Amulett. Hadrian spuckte darauf und rieb es sauber. Zum Vorschein kam ein Stück Kupfer mit der primitiven Gravur einer hundeähnlichen Gestalt auf zwei Beinen. Es hätte ein Wolf sein können. Oder einer der gefräßigen Marder, die von der neuen Generation nur Baumschakale genannt wurden. Als er das Schmuckstück Buchanan hinhielt, fiel ihm der seltsame Satz wieder ein, den der Anführer der Bande am Vormittag gerufen hatte.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er.
    Buchanan starrte das Amulett beunruhigt an und warf es dann beiseite in die Schatten. »Nichts. Ein Zufall, ein Stück Abfall, das an dem Leichnam hängengeblieben

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