Die Asche der Erde
machten sich auf seinen Befehl hin bereit. Draco erhob sich und wankte umher, suchte seine Waffen zusammen, schluckte Schmerztabletten und ein Aufputschmittel. Subzwei sah, daß seine Pupillen stark erweitert waren, und begriff, daß der Mann bereit war, sich selbst umzubringen. Dies beunruhigte ihn vage, aber er konnte sich nicht die Zeit nehmen, um die Gründe in Erfahrung zu bringen.
»Ich brauche jemanden, der hier den Befehl übernimmt«, sagte er angelegentlich. »Wir müssen mit Angriffen auf unsere Verletzten und die Materialien und Vorräte rechnen und zum Schutz unserer Leute Vorsorge treffen. Kannst du das übernehmen?«
Draco setzte zu einem Protest an, doch ein weiterer Hustenanfall kam ihm zuvor.
»Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann.«
Endlich brachte Draco mit heiserer, halberstickter Stimme ein »In Ordnung« hervor. Er schien sich seiner Unfähigkeit zu protestieren ebenso zu schämen wie seiner Hilflosigkeit.
Aus dem Tagebuch des Jan Hikaru:
Mischa schläft. Ihre Atmung ist unregelmäßig und rauh, hört sich jedoch besser an als in der ersten Ruheperiode nach unserer Ankunft hier.
Ich fühle mich an diesem Ort sehr unwohl. Wir befinden uns in einer Raketenbasis, die entweder der Verteidigung des Zentrums diente oder eine offensive Abschußrampe war, der das Zentrum als technisch-personeller Unterbau angegliedert war – vor dem Letzten Krieg. Das dritte Symbol: ein Ort, den Menschen machten. Das ist es in der Tat. Aber ich kann keine Verwandtschaft mit jenen Menschen empfinden.
Allerdings bleibt die Frage, ob wir, in der Sphäre, anders handeln würden, stünden wir vor der gleichen Wahl, mit der die Menschheit damals konfrontiert war. Wir haben uns daran gewöhnt, die Verhältnisse, die kurzsichtigen Menschen und die verantwortungslosen Regierungen jener Zeit zu verurteilen: Sie brachten einander um, gerieten in einen eskalierenden Wettlauf des Massenmordes und töteten eine ganze Welt. Danach gab es keinen Krieg mehr; nicht, weil die Menschen sich geändert hätten, sondern weil es nichts mehr gab, worum zu kämpfen sich gelohnt hätte.
Sind wir nun friedfertig geworden, weil Kriege keinen wirtschaftlichen Gewinn mehr versprechen? Haben wir ein Recht, uns Überlegenheit anzumaßen?
Doch die Mythen sind stark, und ich fühle mich bedrückt. Wahrscheinlich sind wir von Interkontinentalraketen mit Atomsprengköpfen umgeben – Wasserstoffbomben mit Atombomben als Zündern. Von Massenvernichtungsmitteln der schmutzigen Art, die durch ihre Nebenprodukte mehr Schaden anrichten als mit der eigentlichen Explosion.
Die hier lagernden Waffen wurden niemals abgefeuert. Ich frage mich, ob das der Fall ist, weil das Zentrum niemals direkt angegriffen wurde, weil das Kommunikationsnetz zerstört wurde und niemand hier die Einsatzbefehle erhielt, oder vielleicht, weil ein Mensch es zu guter Letzt nicht über sich brachte, die Startknöpfe zu drücken.
Ich würde gern das letztere glauben.
Nachdem man ausgeruht, die Verletzten so gut wie möglich versorgt und sie bewacht und mit Vorräten versehen zurückgelassen hatte, war der Rest der Suchtruppe aufgebrochen und hatte sich den Weg durch die Kristallisationen gebahnt, diesmal durch Atemschutzgeräte gesichert und ohne die beim ersten Versuch zur Schau getragene Heiterkeit. Subzweis Leute hatten das Fürchten gelernt, und er hatte sie nie zuvor ängstlich gesehen. Die übertriebene Vorsicht, ihr ständiges Zögern und Beratschlagen, worin diese Furcht sich ausdrückte, machte ihn betroffen, denn er kannte sie als harte, furchtlose Männer.
Sie erreichten die Zone des schwammigen Bewuchses, der ihm besonders abstoßend erschien; er ließ ihn abbrennen. Die Energiewaffen brieten und verkohlten ihn unter gewaltiger Rauchentwicklung, doch ging diese Arbeit viel zu langsam vonstatten und zehrte an den Nerven. Die Männer mit ihren Laserlanzen standen in Qualm, Dampf und Hitze, bis sie nichts mehr sehen konnten, und unter der Einwirkung der Laserstrahlen begann der Kalkstein zu bröckeln. Subzwei zürnte sich selbst, weil er diese Gefahr nicht vorausgesehen hatte: einfache chemische Reaktionen, die offensichtlich waren. Er ließ das Unternehmen abbrechen und führte seine Gefolgsleute weiter durch den üppigen, schleimigen Bewuchs des Höhlengangs. Er zeigte ihnen die Fußabdrücke der Verfolgten: Seht, in den Abdrücken hat sich kein Wasser gesammelt. Seht, wie frisch die Fährte sein muß. Wir brauchen nicht mehr lange zu warten.
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