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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Aber der Elan hatte seine Leute verlassen. Sie waren erschöpft, ihre Kehlen brannten, ihre Ohren tönten; sie konnten sich nicht einmal bequem niedersetzen, um auszuruhen.
    Als der Gang abschüssig wurde, wollten sie nicht weiter. Sie sahen, daß die Verfolgten hier gestürzt und abgerutscht waren, und obwohl Gesteinsformationen sie daran hinderten, das untere Ende des Hanges einzusehen, argumentierten sie, daß die Gesuchten umgekommen sein müßten. Subzwei ärgerte sich, daß er Draco am Mitgehen gehindert hatte. Draco hätte nicht versagt; er hätte den anderen durch sein Vorbild Mut gemacht.
    Mit vor Zorn bebender Stimme hielt Subzwei ihnen eine Ansprache, aber die Atemschutzmaske machte seine Worte undeutlich und irgendwie lächerlich, und seine Rede erschien ihm selbst wenig überzeugend. Er brach sie vorzeitig ab und musterte schweigend seine Leute, erkannte, was für ein zusammengewürfelter und jämmerlicher Haufen sie waren, Geächtete, Entwurzelte ... wie er selbst. »Folgt mir, oder laßt es bleiben, wie ihr wollt«, sagte er, drehte sich um und eilte mit langen, gleitenden Schritten weiter hinab.
    Wie er rutschend und springend dem Höhlengang abwärts folgte, ständig bemüht, das Gleichgewicht zu bewahren, kam ihm der Gedanke, daß der Untergrund dreimal versucht hatte, ihn zu töten: durch Gift mit den Kristallen, durch Krankheit und Auflösung mit den gallertigen Schwämmen, und nun durch Absturz. Und er sagte sich wider alle Vernunft, daß, wenn er diesmal überlebte, er in allem vom Glück begünstigt sein würde; und daß, wenn er versagte, er in allem versagen würde.
    Das Gefälle nahm plötzlich zu. Um sich auf den Beinen zu halten, lief er schneller. Seine Füße patschten durch dicke, klumpiggallertige Fäulnis. Immer mehr beschleunigte sich sein Lauf, und doch war es ihm unmöglich, das Gleichgewicht zu bewahren. Er schrie auf, noch ehe er ausglitt, denn in seinem Sinn kamen alle Faktoren zusammen und fügten sich zu einer Gleichung von unglaublicher Kompliziertheit, und er begriff, daß die Unbekannten keine akzeptable Lösung hatten.
    Er landete hart auf dem Rücken und sauste in der schmierigen Bahn, die seine Vorgänger zurückgelassen hatten, unaufhaltsam in die Tiefe. Wasser schlug über ihm zusammen und riß ihn mit einem Schock aus dem halbbewußten Zustand zwischen starrer Todeserwartung und instinktiven Selbsterhaltungsreaktionen. Es schwappte schmutzig und gurgelnd über die Atemmaske, und als es ihm gelungen war, sich herumzuwälzen und aufzurichten, sanken seine Hände und Knie in das, was sich zuerst wie fester Boden angefühlt hatte. Er wühlte sich mit rudernden Armen zum Ufer, die Böschung zerfiel schwammig unter seinen Händen. Eine feste Stange blieb ihm als Halt, und er stieß sie in den morastigen Untergrund und zog sich daran weiter, und so, durch schiere, adrenalinbefeuerte Panik, entkam er dem klebrigen Morast.
    Er stand schaudernd, die Hände um den einzigen festen Gegenstand gekrampft, den es an diesem Ort gab, von welcher Art er auch sein mochte. Doch ein abscheulicher Gestank erreichte ihn durch die Atemmaske, und gleichzeitig sah er im getrübten Schein der Helmlampe die verwesenden Leichen im Wasser und am Ufer, begriff, warum die schwammigen Flechten so üppig gedeihen konnten, und erkannte das Ding in seiner Hand als einen menschlichen Oberschenkelknochen.
    Ekel schüttelte ihn. Er warf den Knochen von sich und spürte das Gewicht des Wassers und der schaumigen organischen Materie, die seine Kleidung durchdrangen, und er machte kehrt und rannte blindlings davon, wie wild nach Stücken klumpiger, nasser Materie schlagend, die wie Zecken an ihm hingen.
    Der Untergrund hatte gewonnen; dies sollte seine letzte Ruhestätte sein, die vollkommene Antithese von allem, woran er je geglaubt hatte.
    Keuchend wankte er den Korridor entlang. Die vollgesogene Kleidung kribbelte ihm auf der Haut. Er begann sie abzupflücken, indem er den Stoff mit den Fingerspitzen an Ecken und Befestigungen hielt, obwohl er Handschuhe trug. Ihrer entledigte er sich als letztes, warf sie auf den Boden, wo sie wie nasse Lehmklumpen dumpf aufschlugen. Er war froh, als er die durchnäßten, stinkenden Sachen in einem unordentlichen Haufen beisammenliegen sah. Nackt ging er weiter, denn er konnte nicht umkehren, nicht einmal, um einen Versuch zur Rückkehr zu seinen Leuten zu machen. Er behielt nur seine Helmlaterne und die Laserlanze, die er mit der Faust umklammerte, als könne er das

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