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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Zittern seiner Hände zum Aufhören bringen. Die Nacktheit nicht gewohnt, fühlte er sich unbehaglich und verwundbar und wünschte Subeins an seine Stelle. Dennoch war diese fröstelnde Entblößung dem Verbleib in den stinkenden, nassen Kleidungsstücken vorzuziehen. Der Verwesungsgestank haftete ihm noch immer an, war an seiner Haut und in seinem Haar. Mit vager Befriedigung klammerte er sich an die Erinnerung, daß er das Zeug wenigstens nicht eingeatmet hatte, daß es ihm nicht in Nase, Mund oder Lungen gedrungen war. Hätte er das erleben müssen, so wäre er sicherlich um den Verstand gebracht worden.
    Sein Körper drohte abermals mit Übelkeit zu revoltieren, und so lenkte er seine Aufmerksamkeit ganz auf das gegenwärtige Geschehen.
    Der Korridor endete an einem Aufzug. Subzwei bestieg ihn mit vollem Bewußtsein der Gefahr, in die er sich damit begab. Er sah sehr alt aus. Vielleicht würde er steckenbleiben, und ihm bliebe nichts als Hungertod oder Selbstmord. Aber es war der einzige Weg, und er wußte, daß Installationen dieser Art mit eigenen Energieversorgungssystemen arbeiteten, die auf Langlebigkeit und Wartungsfreiheit unter den erschwerten Bedingungen einer Isolation durch kriegerische Ereignisse ausgelegt waren. Er hatte keine Vorstellung, ob er immer noch einer Fährte folgte; als er sich zu vergegenwärtigen suchte, ob er im Korridor fremde Fußspuren gesehen hatte, gelang es ihm nicht, sich die Szene ins Gedächtnis zurückzurufen. Er drückte den einzigen Knopf in der Bedienungstafel; sie war ohne Markierungen und Hinweise. Die Aufzugtür glitt zu, geräuschlos, aber langsam, wie ein altgewordenes Gespenst.
    Aufs neue erfaßte ihn Panik, als der Fahrkorb sank. Er wollte nicht noch tiefer unter die Erde.
    Nach schier endloser Zeit, wie es ihm schien, bremste der Aufzug ab, und die Tür rollte zurück.
    Er war auf Dunkelheit vorbereitet gewesen, und das Licht schreckte und verstörte ihn. Viel heller als die vom unsteten Schein der Lampen trübe erhellten Höhlen, an die seine Augen sich gewöhnt hatten, blendete ihn die bläulichweiße, alles erfüllende Strahlung. Er blinzelte hinein und machte nach und nach einen großen und hohen rechteckigen Raum aus, in Bauweise und Ausstattung so nüchtern und regelmäßig wie der obere Korridor. Dicke Säulen erhoben sich in gleichmäßigen Abständen. Beim Betreten des weiten Raumes spürte Subzwei einen wispernden Luftzug, der ihn auf die mögliche Gegenwart anderer Menschen aufmerksam machte. Gleichwohl lag eine Atmosphäre von Stille und Verlassenheit über dem Ort, der frei von Staub und Gerüchen war. Die Metallflächen glänzten, frei von Fingerabdrücken. Er spürte » er wußte, daß hier keine Menschen lebten. Die Belüftung mußte automatisch sein, die Maschinen selbststeuernd und wartungsfrei. Nichts Organisches verunreinigte diese Gruft.
    Plötzlich hielt er inne, starrte zu den Säulenbasen und an ihnen hinauf. Wo sie auf dem Boden ruhen sollten, waren sie von halbmeterbreiten, kreisförmigen dunklen Öffnungen umgeben, in denen sie verschwanden. Nach oben verjüngten sie sich allmählich zu scharfen Spitzen, über denen runde schwarze Löcher zu sehen waren. Als er zwischen ihnen stand und hinaufblickte, erkannte er sie als das, was sie waren, und auf einmal schien es ihm, als umringten sie ihn und bewegten sich, während er still stand, gelähmt von ihrer gespenstischen Gegenwart.
     

15
    Mischa trank sparsam aus der gemeinsamen Flasche. Das Wasser tat ihrer wunden Kehle wohl, die jetzt, nach dem Schlaf, weniger schmerzte als zuvor. Unweit von ihr saß Jan und steckte sein Notizbuch in die Tasche. Der schmutzige, graue Staub getrockneter Lichtzellen und Verwesungsstoffe bedeckte ihn von oben bis unten und verklebte sein Haar zu einer grauen Kruste. Mischa rieb und klopfte an ihrem Jackenärmel, doch die angetrocknete Schicht haftete fest im Gewebe.
    »Kannst du sprechen?«
    »Oh ... ja, es geht ganz gut.«
    »Es hört sich auch ganz gut an.«
    »Was haben Sie geschrieben?«
    »Daß mir dieser Ort nicht gefällt.«
    »Auf der anderen Seite des Zentrums gibt es noch einen«,
    sagte Mischa. »Nicht ganz so weit von der Stadt entfernt. Früher ging ich öfters hin und schaute mir alles an und wünschte, die Raketen wären für Menschen, statt für Bomben.«
    »Das wäre sicherlich besser gewesen.«
    Ein leises Geräusch wisperte, akzentuiert vom metallischen Klicken schleifender Kontakte. Mischa sprang auf und trat zum Eingang des kleinen

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