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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Position.
    Schließlich schlug er die Augen auf.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja, natürlich«, sagte er. »Was ist los?«
    »Ich konnte nicht ...« Er hatte sich so weit in sich selbst verschlossen, daß sie ihn nicht mehr spürte, nicht einmal als seine gewohnte tiefe und ruhige Gegenwart. Sie hatte sich an seine Stabilität gewöhnt; er unterschied sich sehr von anderen Leuten mit ihren wechselnden Stimmungen und Gefühlen. Es waren die Veränderungen, die sie beunruhigten.
    »Ich dachte, es wäre was passiert.« Es war eine lahme Entschuldigung.
    »Es ist was passiert«, erwiderte er, »aber ich weiß nicht, was. Ich dachte nach ... versuchte zu verstehen, was an unserem Gespräch dich so aus der Fassung gebracht haben könnte.«
    Sie setzte sich zu ihm. »Es lag nicht an Ihnen, sondern an mir.«
    »An dir?« sagte er. »Du machst deine Sache gut. Ich bin sehr zufrieden.«
    »Nein ...«
    »Möchtest du etwas anderes tun?«
    »Das ist es überhaupt nicht ...« Sie brach ab, zögerte, holte Luft und platzte mit allem heraus.
    »Es ist zu einfach«, schloß sie. »Es ist wegen dieses – dieses Tricks, den ich kann. Es war nicht meine Absicht, ich wußte nicht, daß ich ihn so einsetzen kann. Ich wußte nicht einmal, daß mein rasches Begreifen von daher kommen muß, bis Sie vorhin etwas sagten.« Sie nahm einen erneuten Anlauf, ihm zu erklären, was sie unter ihrer telepathischen Begabung verstand, und sein Stirnrunzeln vertiefte sich.
    »Nein«, sagte er schließlich. »Das ist ganz und gar nicht, was vorgeht.«
    »Aber ich weiß es wirklich, wenn Leute in der Nähe sind, ich kann sie und ihre Empfindungen spüren. Ich ....«
    »Langsam, Mischa«, sagte er und hob die Hand. »Was das angeht, so glaube ich dir. Ich kann es akzeptieren; es ist einfacher als der Versuch, sich vorzumachen, du seist eine Art Datenverarbeitungsmaschine.«
    »Welche andere Erklärung gibt es?«
    »Sag mir, was dir am besten gefällt.«
    »Mathematik. Sie wissen es.«
    »Ich habe Mathematik immer gehaßt. Das heißt, nicht wirklich gehaßt, aber es hat mir nie Spaß gemacht, und ich hatte keine Begabung dafür. Du bist darin weiter, als ich es jemals zuvor war. In den letzten Wochen konnte ich dir nur einen halben Schritt vorausbleiben, indem ich abends für die Vorbereitung unseres Studiums lernte. Das kann ich wirklich nicht länger machen.«
    »Und?«
    »Wenn du mir etwas aus dem Gehirn stehlen wolltest, so würde es doch etwas sein, worin ich einigermaßen gut bin.«
    Sie stützte das Kinn auf die Faust und dachte nach. Was er sagte, leuchtete ihr ein, und sie wollte es glauben. »Aber wie tue ich dann, was ich tue? Ich gehe von einer Idee zur anderen, und manchmal weiß ich wirklich nicht, wie.«
    »Es gibt ein paar Leute, die das können – auf Gebieten wie der Mathematik, die streng logisch ausgerichtet sind. Es ist eine seltene Fähigkeit und eine wertvolle. Niemand weiß genau, wie sie zustande kommt. Ich an deiner Stelle würde mir keine Sorgen darüber machen: Nimm sie an, sei dankbar dafür und gebrauche sie.«
    »Vielleicht bekomme ich diese Erkenntnisse nicht von Ihnen. Vielleicht kriege ich sie von jemand anderem.«
    »Und wer sollte das sein?«
    »Subzwei?«
    Er lachte. »Er hat Talente, aber intuitive Mathematik gehört nicht dazu. Er ist intelligent und hat ein enzyklopädisches Gedächtnis, aber er ist im wesentlichen methodisch. Ich kann mir nicht denken, daß er sich zur Zeit mit mathematischen Problemen von der Art beschäftigt, die wir durchgenommen haben.«
    »Sie meinen also, daß das, was mir in den Kopf kommt, aus mir selbst ist?«
    »Ja. Deine Kenntnisse sind zu geschlossen, als daß du sie von Fall zu Fall nach Bedarf aus anderer Leute Köpfe herausholen könntest.«
    Mischa kaute zerstreut auf ihrem Daumennagel und fühlte, wie ihr Selbstvertrauen sich unter seinem Zureden wieder aufrichtete. »Hoffentlich haben Sie recht. Aber da ist noch etwas .. . Was ich Ihnen gesagt habe ....«
    »Daß du die Empfindungen anderer Leute wahrnehmen kannst? Das gehört sicherlich zusammen. Wir sollten ein andermal darüber sprechen.«
    »Gut, aber nur mit Ihnen. Sagen Sie es keinem anderen, bitte. Versprechen Sie mir das?«
    »Wenn du es nicht möchtest, werde ich es nicht tun.« »Vielleicht würde es in der Sphäre keine Rolle spielen, aber hier ist das anders.«
    »In Ordnung.«
    »Danke.«
     
    Aus dem Tagebuch des Jan Hikaru:
     
    Mischa scheint eines jener seltenen Wunderkinder zu sein, die sich auf Musik oder

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