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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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lebten weithin verstreut, um das spärliche Nahrungsangebot bestmöglich zu nutzen. Schwämme und Pilze gediehen entlang den verseuchten Wasserläufen, und in den sauberen Gewässern lebten Fische und Lurche. Außer diesen Lebensformen, die sich von winzigen Ruderfußkrebsen und Kalkalgen ernährten, gedieh alles Leben im tiefen Untergrund letzten Endes durch die Abfälle des Zentrums. Die Ausgestoßenen wußten es, und es verdroß sie.
    Noch immer begegneten sie Mischa, deren Andersartigkeit unsichtbar war, mit Mißtrauen. Wenn Krabbe mit ihr war, ließen sie sie gewähren. Die Fähigkeit des Mädchens, sich ohne Licht in unbekannter Dunkelheit zu bewegen, verblüffte sie. Seltsamerweise war ihnen nie aufgefallen, daß sie dieses Talent mit Krabbe teilte.
    Am Eingang zur Höhle machte sie halt. »Jan? Sie sollten nicht ...«
    Er hielt sich mit einer Hand an der Höhlenwand aufrecht und unterbrach ihre Einwände mit abwinkender Gebärde. »Es wird Zeit, daß ich mich bewegen lerne.«
    »Es ist zu früh.«
    Er blickte an sich herab, betrachtete kritisch prüfend seine zitternden Beine und seine von der ungewohnten Anstrengung schon schweißglänzende Brust. »Lächerlich.«
    »Sie wären um ein Haar gestorben!«
    Er nahm die Hand von der Höhlenwand, schloß die Augen und hielt das Gleichgewicht ohne Stütze. Seine Beine hörten auf zu zittern. Mischa erwartete, daß er zusammenbrechen würde, aber nach einem Augenblick stand er ziemlich sicher. »So ist es besser«, meinte er. Er öffnete die Augen und lächelte. »Ich konnte nicht länger stilliegen. Ich war soweit, daß ich anfing zu halluzinieren.«
    Mischa fragte sich, ob er wieder auf das Gift reagierte, ob eine Schicht schwer löslicher Stoffe erst jetzt in seinen Kreislauf gelangt sei, um diesmal wie ein Stimulans zu wirken. Doch als sie ihm nahe genug gekommen war, um seine Pupillen vom Schwarzbraun der Iris zu unterscheiden, sah sie, daß sie nicht erweitert waren. Und obgleich sein Puls lebhaft war, fand sie ihn nicht besorgniserregend. Er streckte die Hände aus und krümmte und streckte die Finger: Er hatte die Bandagen abgenommen. Frische tiefrosa Narben streiften seine Hände und Unterarme von den Fingern bis zu den Ellbogen. Mischa sah Erleichterung und etwas wie freudigen Stolz in seinen Zügen: Endlich hatte er Gewißheit, daß keine Nerven unterbrochen waren. Auch sie lächelte, und für die Dauer eines Augenblicks gelang es ihr beinahe, zu verstehen, daß er froh sein konnte, keine bleibenden Schäden davongetragen zu haben. Ihre eigene Reaktion war Zorn und Beschämung, daß er überhaupt verletzt worden war.
    »Noch nichts von Subzwei?«
    »Von keinem der beiden«, sagte Mischa.
    »Subzwei ist derjenige, der gefährlich ist.«
    »Finden Sie? In meinen Augen ist Subeins derjenige, der für alles das die Verantwortung trägt!«
    Er nickte. »Und er tat es zum Vergnügen.«
    Mischa hob zu einer Entgegnung an, aber er hatte recht. Sie wollte nur nicht zugeben, daß Chris für das Vergnügen eines anderen Mannes gestorben war, aber es war die Wahrheit. »Er ist immer noch gefährlich«, sagte sie verdrießlich.
    Er nickte, streckte nach kurzem Zögern die Hand zur Wand aus und ließ sich auf die Decke nieder, bevor Mischa ihm helfen konnte. Er kreuzte die Beine und ließ die Ellbogen auf den Knien ruhen. »Er ist gefährlich, solange er interessiert ist, oder darauf wartet, daß etwas geschehe. Aber seine Aufmerksamkeitsspanne ist nicht sehr lang. Er ist rasch abgelenkt. Subzwei ist anders; ich habe erlebt, wie er sich dazu zwang, etwas zu Ende zu bringen, was er von Anfang an nur mit größtem Widerwillen begonnen hatte. Du hast es selbst gesehen. Er ist ein hartnäckiger Systematiker und hat eine zwanghafte Veranlagung, jede Arbeit zu Ende zu bringen, die er angefangen hat ... Manchmal kämpft er dagegen an, aber ich glaube nicht, daß er sich über diese Form von Pflichtauffassung jemals wird hinwegsetzen können.«
    »Wenn sie nicht bald kommen ... Dieses ewige Warten gefällt mir auch nicht.«
    »Vielleicht werden wir sie anlocken müssen«, sagte Jan zu ihrer Überraschung, sie hatte erwartet, daß er zur Vorsicht raten würde. »Sie würden sich hier nicht wohl fühlen. Wenn wir sie weit genug herunterlocken könnten, daß sie sich im Labyrinth verloren vorkommen, würden sie möglicherweise zum Einlenken bereit sein.«
    »Ich will nicht, daß Subeins einlenkt«, sagte Mischa. »Warum nicht?«
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an, denn obschon sie

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