Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
Vom Netzwerk:
manchmal ihn nicht verstand, schien er sie fast immer zu verstehen. »Er ist mir noch etwas schuldig.«
    »Nicht genug, daß du ihn tötest.«
    »Doch«, sagte Mischa unnachgiebig. »Ich muß es tun, kann es tun und werde es tun.«
    »Was sollte es dir nützen?«
    »Wenn ich Chris gerächt habe, werde ich ruhig sein«, sagte sie. »Im übrigen ist ein Leben nicht so wichtig.«
    Jan massierte sich die linke Schulter, dann ließ er seufzend die Hand sinken und faßte Mischa ins Auge. »Wirst du mir eins versprechen?«
    »Was?«
    »Daß du keinen unauflöslichen Schwur leistest.«
    Sie sah, daß er hoffte, und wollte sich nicht von ihrem Entschluß abhalten lassen, meinte ihm aber soviel schuldig zu sein, um dieses verbale Zugeständnis zu machen. »Einverstanden. Aber ich habe meine Meinung nicht geändert.«
    »Danke.« Plötzlich lächelte er und begann zu schmunzeln. Auch Mischa sah den Humor der Situation: Zwei Verfolgte auf der Flucht im Untergrund, waffenlos und von den Fremden wie von der ganzen Stadt gesucht, entschieden über ihre Jäger, als hätten sie sie in der Falle. Und sie stimmte in sein Lachen ein.
     
    »Haben Sie Krabbe weggehen sehen?«
    Jan verneinte. »Ich dachte, er sei mit dir zurückgekommen.« »Ich kann ihn nicht fühlen ...«
    »Er kennt sich hier aus.«
    »Das schon, aber ....« Sie hatte sich kaum einmal von ihm getrennt, seit er sie gefunden hatte, und vermißte den telepathischen Kontakt. Die Räume, die er ausfüllte, waren nicht diejenigen, die Chris leer zurückgelassen hatte, aber die Verbindung war ermutigend. Nachdem sie eine Weile unruhig auf ihrem Platz herumgerückt war und auf dem Daumennagel gekaut hatte, stand sie endlich auf. »Ich werde ihn suchen gehen.«
    Vom Höhlenausgang hörten sie Vals seltenes Lachen. »Vielleicht ist er bei ihr«, meinte Jan.
    Simon und Val kamen in die Höhle, naß und lachend vom Baden im Fischgewässer. Simon streckte Mischa die Hand hin und bot ihr einen kleinen Pilz an, der, wie er erklärte, berauschende Eigenschaften besaß.
    »Nein, lieber nicht«, sagte sie. »Ich kann Krabbe nicht finden.«
    »Sei unbesorgt«, sagte Val. »Manchmal geht er allein fort.«
    Selbst in berauschtem Zustand würde Val besorgt sein, wenn Krabbe in Gefahr wäre, also setzte Mischa sich wieder an ihren Platz. Simon bot den Pilz Jan an, der ihn zweifelnd betrachtete. »Ist er wie die Medizin, die ihr mir gegeben habt?«
    Simon antwortete nicht.
    »Das war ein Destillat«, sagte Val. »Dies hier ist sehr viel milder und langsamer in der Wirkung.« In dem Maße, wie sie seine Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit erkannt hatte, war ihr Mißtrauen gegen ihn dahingeschwunden.
    Jan nahm die Gabe an und kaute sie bedächtig. Mischa hatte nicht erwartet, daß er den Pilz nehmen würde, doch während sie ihn beobachtete, entspannte er sich, und die feinen Linien in den äußeren Augenwinkeln, die ein Vermächtnis der erlittenen Schmerzen waren, verschwanden. Er lehnte sich zurück und seufzte zufrieden.
    Eine Stimme wie von einem Glockenspiel schwebte mit sanften Echos zu ihnen nieder. »Aura!« rief Val. »Komm herab, Aura, und sieh, was wir haben!«
    Aura kam lachend und kichernd näher, hielt sich aber stets außerhalb des Lichtkreises, selbst als sie in die Höhle schlüpfte. Mischa konnte sie sehen, doch weder ihre Gestalt noch ihr Gesicht, denn die Schleier verhüllten ihre Umrisse. »Erzählt mir«, rief sie in singendem Tonfall.
    Simon öffnete seinen Beutel und nahm einen der Pilze heraus, die er gesammelt hatte. »Ahh«, seufzte Aura. »Eine Spanne von Vergessen, wenn auch kurz ...«
    »Komm herunter!«
    »Nein, nein.« Ihre Schleier wehten vorüber, brachten einen kühlen Lufthauch in ihre Gesichter. Sie schien verkümmerte Beine zu haben und hangelte mit unglaublicher Körperkraft und Geschicklichkeit über die Vorsprünge und Unebenheiten der Höhlenwände, so schnell wie ein Fußgänger sich bewegte. Simon streckte ihr den Pilz hin, und sie streifte seine Hand mit einem Schleier. Der Pilz verschwand aus seiner Hand. »Seid bedankt, meine Freunde.«
    »Bleib«, sagte Val. »Rede mit uns. Sing uns etwas vor.«
    »Alle meine Lieder sind alt«, sagte Aura, deren Stimme mit zunehmender Entfernung bereits schwächer wurde. »Wenn sie neu sind, werde ich vielleicht zurückkehren.«
    »Sie singt nie etwas zweimal«, sagte Val, als Aura die Höhle verlassen hatte. »Nicht einmal unsere Bitten können sie dazu bewegen.«
    Jan saß, gegen die Höhlenwand gelehnt, still

Weitere Kostenlose Bücher