Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
auf die Radspeichen zu steigen. Mr. Hannon sagt, ich soll nie wieder dergleichen tun. Komm nie mit Hand oder Bein in die Nähe eines Rades, wenn das Pferd angeschirrt zwischen den Deichseln steht. Ein Pferd könnte Lust auf einen kleinen Spaziergang kriegen, und da stehst du dann, und dein Bein oder dein Arm haben sich im Rad verfangen und sind dir aus dem Körper gedreht, und du kannst nur noch hinterherkucken. Er sagt zum Pferd, dann wolln wir mal, und das Pferd schüttelt den Kopf, und das Geschirr klimpert, und Mr. Hannon lacht. Dieses dumme Stück von einem Pferd liebt die Arbeit, sagt er. In ein paar Stunden wird es nicht mehr mit dem Geschirr klimpern.
Als es anfängt zu regnen, bedecken wir uns mit Kohlensäcken, und Mr. Hannon dreht die Pfeife im Mund mit dem Pfeifenkopf nach unten, damit der Tabak trocken bleibt. Er sagt, durch den Regen wird alles schwerer, aber was soll’s. Genausogut könnte man sich über die Sonne in Afrika beklagen.
Wir fahren über die Sarsfield-Brücke, um die Ennis Road und die North Circular Road zu beliefern. Reiche Leute, sagt Mr. Hannon, und sehr langsam mit der Hand in der Tasche beim Trinkgeld.
Wir haben sechzehn Säcke abzuliefern. Mr. Hannon sagt, wir haben Glück, weil einige Häuser mehr als einen kriegen, und da braucht er nicht so oft auf das Fuhrwerk und wieder runter zu klettern, was seine Beine ruiniert. Wenn wir anhalten, steigt er ab, und ich wuchte den Sack an den Rand und lege ihn ihm auf die Schulter. Manche Häuser haben draußen einen Bereich, wo man eine Falltür hochzieht und den Sack hineinkippt, bis er leer ist, und das ist leicht. Andere Häuser haben einen langen Hinterhof, und dann sieht man, wie Mr. Hannon mit seinen Beinen leidet, wenn er die Säcke bis zu den Kohlenkästen bei den Hintertüren schleppen muß. Ach Gott, Frankie, ach Gott, mehr kriegt man von ihm an Gejammer nicht zu hören, und dann bittet er mich, ich soll ihm die Hand geben, als er wieder auf das Fuhrwerk klettert. Er sagt, wenn er einen Handwagen hätte, könnte er die Säcke vom Fuhrwerk zum Haus karren, und das wäre eine Segnung, aber ein Handwagen würde zwei Wochenlöhne kosten, und wer kann sich das leisten.
Die Säcke sind ausgeliefert, und die Sonne scheint, und das Pferd weiß, daß sein Arbeitstag
vorüber ist. Es ist wunderschön, auf dem Fuhrwerk zu sitzen und die ganze Länge des Pferdes entlang vom Schwanz bis zum Kopf zu kucken, wie es durch die Ennis Road über den Shannon und die Dock Road hinaufschaukelt. Mr. Hannon sagt, der Mann, der sechzehn Zentner Kohle und Torf geliefert hat, verdient eine Pint, und der Junge, der ihm geholfen hat, verdient eine Limonade. Er sagt mir, ich soll zur Schule gehen und nicht wie er werden, er schuftet sich nur ab, und unter ihm faulen ihm die Beine weg. Geh zur Schule, Frankie, und raus aus Limerick, raus aus Irland als solchem. Eines Tages wird dieser Krieg vorüber sein, und dann kannst du nach Amerika oder Australien oder in sonst ein großes offenes Land, wo man den Blick heben kann und kein Ende abzusehen ist. Die Welt ist weit, und man kann große Abenteuer erleben. Wenn ich nicht diese beiden Beine hätte, wäre ich drüben in England und würde ein Vermögen in den Fabriken verdienen wie alle anderen Iren, wie dein Vater, nein, nicht wie dein Vater. Ich höre, er hat euch auf dem trockenen sitzen lassen? Ich weiß nicht, wie ein Mann, der noch einigermaßen gescheit ist, weggehen und eine Frau und Familie verlassen kann, damit sie im Winter von Limerick hungern und frieren. Schule, Frankie, Schule. Die Bücher, die Bücher, die Bücher. Verlasse Limerick, bevor dir die Beine verfaulen
und dein Verstand vollends zusammenbricht.
Das Pferd klappert weiter, und als wir zur Kohlenhandlung kommen, geben wir ihm Futter und Wasser und striegeln es. Mr. Hannon spricht die ganze Zeit mit ihm und sagt, na mein oller Klepper, und das Pferd schnobert und drückt die Nase gegen Mr. Hannons Brust. Liebend gern würde ich dieses Pferd mit nach Hause nehmen und unten wohnen lassen, wenn wir oben in Italien sind, aber selbst wenn ich es zur Tür hereinbekäme, würde meine Mutter mich anschreien, das letzte, was wir in diesem Haus gebrauchen können, ist ein Pferd.
Die Straßen von der Dock Road nach Hause sind zu hügelig für Mr. Hannon zum Radeln, mit mir auf der Stange, also gehen wir zu Fuß. Seine Beine sind wund von den Mühen des Tages, und es dauert lang, bis wir die Henry Street erreicht haben. Er stützt sich auf den
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