Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
und der Peitsche auf dem Fuhrwerk gesehen haben. Es ist der beste Tag meines Lebens, besser als meine
Erstkommunion, die Oma ruiniert hat, besser als meine Firmung, als ich Typhus hatte.
Sie rufen mir nichts mehr nach. Sie lachen nicht über meine grindigen Augen. Sie wollen wissen, wie ich im Alter von zwölf Jahren so einen guten Job ergattert habe und wieviel ich dafür kriege und ob ich den Job für alle Zeiten behalten werde. Sie wollen wissen, ob es im Kohlenhandel noch andere gute Jobs gibt und ob ich wohl ein gutes Wort für sie einlege. Dann gibt es noch große Jungs von vierzehn, die mir ihr Gesicht ins Gesicht stecken und sagen, eigentlich ist das ihr Job, weil sie größer sind, und ich bin nur ein magerer kleiner Mickerling ohne Schultern. Sie können soviel reden, wie sie wollen. Ich habe den Job, und Mr. Hannon sagt mir, ich sei kräftig.
An manchen Tagen ist es so schlimm mit seinen Beinen, daß er kaum noch gehen kann, und man sieht, wie Mrs. Hannon sich Sorgen macht. Sie gibt mir eine große Tasse Tee, und ich sehe zu, wie sie ihm die Hosenbeine aufkrempelt und die schmutzigen Binden abpellt. Die Wunden sind rot und gelb und mit Kohlenstaub verkrustet. Sie wäscht sie mit Seifenwasser und beschmiert sie mit einer gelben Salbe. Sie legt seine Beine auf einen Stuhl, und da bleibt er dann den ganzen Abend und liest Zeitung oder ein Buch vom Regal über seinem Kopf.
Mit den Beinen wird es so schlimm, daß er
morgens eine Stunde früher aufstehen muß, um sie zu lockern und einen neuen Verband anzulegen. An einem Samstagmorgen ist es noch dunkel, als Mrs. Hannon an unsere Tür klopft und mich fragt, ob ich vielleicht zu einem Nachbarn gehe und da den Handwagen ausborge, damit wir den auf dem Fuhrwerk mitnehmen können, denn Mr. Hannon wird heute nie und nimmer in der Lage sein, die Säcke zu schleppen, und vielleicht rolle ich sie einfach für ihn mit der Handkarre. Er wird mich nicht auf der Fahrradstange mitnehmen können, also soll ich ihn mit der Handkarre bei der Kohlenhandlung treffen.
Der Nachbar sagt, für Mr. Hannon jederzeit, Gott segne ihn. Ich warte beim Tor von der Kohlenhandlung und beobachte, wie er herangeradelt kommt, langsamer als je zuvor. Er ist so steif, daß er kaum vom Rad kommt, und er sagt, du bist ein guter Mann, Frankie. Er läßt mich das Pferd fertigmachen, obwohl ich immer noch Schwierigkeiten mit dem Anschirren habe. Er läßt mich das Fuhrwerk vom Hof und hinaus auf die vereisten Straßen lenken, und ich würde gern immer so weiterfahren und nie mehr nach Hause müssen. Mr. Hannon zeigt mir, wie man die Säcke an den Rand des Fuhrwerks wuchtet und auf den Boden fallen läßt, so daß ich sie zum Handwagen zerren und dann bis zu den Häusern schieben kann. Er zeigt mir, wie man die Säcke hebt
und schiebt, ohne daß ich mich überanstrenge, und gegen Mittag haben wir die sechzehn Säcke ausgeliefert.
Wenn die Jungs von Leamy’s mich jetzt sehen könnten, wie ich das Pferd führe und die Säcke bewege, wie ich alles mache, während Mr. Hannon seine Beine schont. Wenn sie mich sehen könnten, wie ich den Handwagen vor South’s Kneipe abstelle und meine Limonade trinke und Mr. Hannon und Onkel Pa und ich ganz schwarz und Bill Calvin ganz weiß. Gern würde ich der Welt die Trinkgelder zeigen, die ich, sagt Mr. Hannon, behalten darf, vier Shilling, und der Shilling, den er mir für die Arbeit eines Vormittags gibt, macht zusammen fünf Shilling.
Mam sitzt beim Feuer, und als ich ihr das Geld gebe, sieht sie mich an, läßt es in ihren Schoß fallen und weint. Ich bin verblüfft, weil Geld einen doch glücklich macht. Sieh dir deine Augen an, sagt sie. Geh zum Spiegel und sieh dir deine Augen an.
Mein Gesicht ist schwarz, und die Augen sind schlimmer als je zuvor. Das Weiße und die Augenlider sind rot, und der gelbe Kram quillt aus den Augenwinkeln und über die unteren Lider. Wenn der gelbe Kram längere Zeit an derselben Stelle bleibt, bildet er eine Kruste, die abgepopelt oder abgewaschen werden muß.
Mam sagt, das bedeutet das Ende. Kein Mr.
Hannon mehr. Ich versuche zu erklären, daß Mr. Hannon mich braucht. Er kann doch kaum noch gehen. Ich mußte heute morgen alles machen, das Fuhrwerk fahren, den Handwagen mit den Säkken schieben, in der Kneipe sitzen, Limonade trinken, den Männern beim Diskutieren zuhören, wer der Beste ist, Rommel oder Montgomery.
Sie sagt, es tut ihr leid, daß Mr. Hannon solche Schwierigkeiten hat, aber wir haben unsere eigenen
Weitere Kostenlose Bücher