Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Hause kommt, wäscht er die Wunden mit warmem Wasser und Seife, schmiert Salbe drauf und wickelt saubere Binden drumrum. Sie können sich nicht jeden Tag neue Verbände leisten, deshalb wäscht sie die alten immer und immer wieder, bis sie grau sind.
Mam sagt, Mr. Hannon soll doch mal zum Arzt gehen, und Mrs. Hannon sagt, klar, ein dutzendmal war er beim Arzt, und der Arzt sagt, tja, er soll nicht soviel mit den Beinen machen. Das ist alles. Er soll nicht soviel mit den Beinen machen. Wie soll er denn wohl weniger mit den Beinen machen? Er muß doch arbeiten. Wovon sollen wir denn leben, wenn er nicht arbeitet?
Mam sagt, vielleicht könnte Bridey sich selbst irgendeine Art Arbeit besorgen, und Bridey ist beleidigt. Weißt du denn nicht, daß ich eine schwache Brust habe? Weißt du denn nicht, daß ich akutes Rheuma hatte und jederzeit hinüber sein könnte? Ich muß aufpassen.
Mam spricht oft über Bridey und ihr akutes Rheuma und ihre schwache Brust. Sie sagt, diese Frau ist imstande, geschlagene Stunden hier zu sitzen und über ihre Gebrechen zu klagen, aber das hält sie nicht davon ab, eine Woodbine nach der anderen zu paffen.
Mam sagt Bridey, wie leid ihr das mit der schwachen Brust tut und wie schrecklich es ist, daß ihr Vater so zu leiden hat. Mrs. Hannon sagt meiner Mutter, daß es mit John von Tag zu Tag schlimmer wird, und was würden Sie davon halten, Mrs. McCourt, wenn Ihr Junge, Frankie, ein paar Stunden die Woche bei ihm auf dem Wagen mitfährt und ihm bei den Säcken zur Hand geht? Wir können es uns kaum leisten, aber Frankie
könnte sich einen oder zwei Shilling verdienen, und John könnte seine armen Beine schonen.
Mam sagt, ich weiß nicht, er ist doch erst zwölf, und er hatte diesen Typhus, und der Kohlenstaub wäre bestimmt nicht gut für seine Augen.
Bridey sagt, er wäre an der frischen Luft, und es gibt nichts Besseres als frische Luft für jemanden mit schlechten Augen oder der den Typhus gehabt hat, etwa nicht, Frankie?
Doch, Bridey.
Ich kann es gar nicht erwarten, mit Mr. Hannon auf seinem großen Pferdefuhrwerk herumzufahren wie ein richtiger Arbeitsmann. Wenn ich das gut mache, brauche ich vielleicht nie wieder in die Schule, aber Mam sagt, meinetwegen, aber nur wenn die Schule nicht darunter zu leiden hat, und am Samstag morgen kann er anfangen.
Ich bin jetzt ein Mann, also mache ich ganz früh am Samstag morgen das Feuer an und mache mir meinen eigenen Tee und mein eigenes gebratenes Brot. Nebenan warte ich vor der Haustür darauf, daß Mr. Hannon mit dem Rad rauskommt, und durch das offene Fenster duftet es nach Speckstreifen mit Eiern. Mam sagt, Mr. Hannon kriegt immer nur vom Feinsten zu essen, weil Mrs. Hannon noch immer genauso verrückt nach ihm ist wie an ihrem Hochzeitstag. Sie sind wie zwei Liebende aus einem amerikanischen
Film, so wie sie sich aufführen. Da ist er nun, er schiebt sein Rad und pafft an seiner Pfeife. Er sagt mir, ich soll auf die Stange von seinem Fahrrad klettern, und ab geht die Post, zu meinem ersten Job als Mann. Sein Kopf ist über meinem, und seine Pfeife duftet wunderbar. Seine Sachen riechen nach Kohle, und davon muß ich niesen.
Männer gehen oder radeln zu den Kohlenhandlungen und zu Rank’s Getreidemühle und zur Limerick-Dampfschifffahrtsgesellschaft in der Dock Road. Mr. Hannon nimmt die Pfeife aus dem Mund und sagt mir, der Samstagmorgen ist der beste Morgen von allen, weil danach nur noch ein halber Tag kommt. Wir fangen um acht an, und etwa zum Angelusläuten um zwölf haben wir es schon wieder hinter uns.
Zuerst machen wir das Pferd fertig, striegeln es ein bißchen, füllen den Holztrog mit Hafer und den Eimer mit Wasser. Mr. Hannon zeigt mir, wie man das Geschirr anlegt, und ich darf das Pferd rückwärts zwischen die beiden Deichseln führen. Er sagt, Jee-suss, Frankie, du bist ja ein Naturtalent. Das macht mich so froh, daß ich hüpfen könnte, und ich will bis an mein Lebensende nur noch Fuhrwerk fahren.
Zwei Männer füllen Säcke mit Kohle und Torf und wiegen sie auf der Eisenwaage, jeder Sack ein Zentner. Sie müssen die Säcke auf das Fuhrwerk laden, während Mr. Hannon wegen der Lieferscheine
ins Büro geht. Die Sackmänner sind schnell, und schon kann unsere Runde losgehen. Mr. Hannon sitzt oben auf der linken Seite und schnalzt mit der Peitsche, um mir zu zeigen, wo ich sitzen soll, auf der rechten Seite. Es ist schwer, auf das Fuhrwerk zu klettern, weil es so hoch und mit Säcken beladen ist, und ich versuche,
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