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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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wenn sie nicht blind wird und kein Regierungsradio kriegt?
    Sonntagabend sitze ich draußen auf dem Bürgersteig unter Mrs. Purcells Fenster und höre Stücke auf BBC und Radio Eireann, dem irischen Sender. Man kann Stücke von O’Casey, Shaw, Ibsen und vom Besten von allen, Shakespeare, hören, obwohl der Engländer ist. Shakespeare ist wie Kartoffelbrei; man kann nie genug davon kriegen. Und man kann seltsame Stücke hören, über Griechen, die sich die Augen aus dem Kopf rupfen, weil sie aus Versehen ihre Mutter geheiratet haben.
    Eines Abends sitze ich unter Mrs. Purcells Fenster und höre Macbeth. Ihre Tochter, Kathleen, steckt den Kopf zur Tür heraus. Komm rein, Frankie. Meine Mutter sagt, du holst dir die Schwindsucht, wenn du bei diesem Wetter auf der Erde sitzt.

    Ach nein, Kathleen. Ist nicht schlimm.
    Doch. Komm rein.
    Sie geben mir Tee und eine Riesenscheibe Brot, dick mit Brombeermarmelade beschmiert. Mrs. Purcell sagt, magst du den Shakespeare, Frankie?
    Ich liebe den Shakespeare, Mrs. Purcell.
    Ach, er ist Musik, Frankie, und er hat die besten Geschichten der Welt. Ich wüßte gar nicht, was ich an einem Sonntagabend mit mir anfangen sollte, wenn ich nicht den Shakespeare hätte.
    Als das Stück zu Ende ist, läßt sie mich mit dem Knopf vom Radio herumspielen, und ich streune über die ganze Skala und suche auf Kurzwelle weit entfernte Laute, seltsames Geflüster und Gezische, das Rauschen des Ozeans, wenn er kommt und wenn er geht, und das Morse-Dididi-da. Ich höre Mandolinen, Gitarren, spanische Dudelsäcke, die Trommeln Afrikas, das Klagen der Ruderer auf dem Nil. Ich sehe Seeleute auf Wache, die heißen Kakao aus großen Tassen trinken. Ich sehe Kathedralen, Wolkenkratzer, Hütten. Ich sehe Beduinen in der Sahara und die französische Fremdenlegion, Cowboys auf der Prärie in Amerika. Ich sehe Ziegen die felsige Küste Griechenlands entlanghüpfen, wo die Hirten blind sind, weil sie aus Versehen ihre Mutter geheiratet haben. Ich sehe Menschen, die in Cafés schwatzen, an ihrem Wein nippen und über Boulevards und Avenuen wandeln. Ich sehe Nachtfrauen
in Hauseingängen, Mönche beim Vespergottesdienst, und hier ist das große Dröhnen von Big Ben: This is the BBC Overseas Service and here is the news …
    Mrs. Purcell sagt, laß das an, Frankie, damit wir wissen, wie es um die Welt steht.
    Nach den Nachrichten stelle ich den AFN an, und es ist wunderschön, die amerikanischen Stimmen zu hören, sie sind so unbeschwert und voller Glanz, und jetzt kommt die Musik, o Mann, die Musik von Duke Ellington persönlich, der mir sagt, ich soll den A-Train nehmen, dorthin, wo Billie Holiday nur für mich singt:
    I can’t give you anything but love, baby.
That’s the only thing I’ve plenty of, baby.
    Ach, Billie, ich wär so gern bei dir in Amerika, Billie, und bei der ganzen Musik, wo niemand schlechte Zähne hat, wo die Leute Essen auf dem Teller übriglassen und jede Familie ihr eigenes Klo hat, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
    Und Mrs. Purcell sagt, weißt du was, Frankie?
    Was, Mrs. Purcell?
    Dieser Shakespeare ist so gut, der war bestimmt ein Ire.

     
     
    Der Mann, der die Miete kassiert, verliert die Geduld. Er sagt zu Mam, vier Wochen sind Sie im Rückstand, Missis. Das sind ein Pfund zwei Shilling. Das muß aufhören, oder ich muß ins Büro zurück und Sir Vincent Nash melden, daß die McCourts einen Monat im Rückstand sind. Wo bin ich denn dann, Missis? Am Arsch und arbeitslos und eine Mutter zu ernähren, die zweiundneunzig ist und jeden Tag in der Franziskanerkirche die Kommunion empfängt. Der Mietenkassierer kassiert die Miete, Missis, oder er verliert den Job. Nächste Woche bin ich wieder da, und wenn Sie dann das Geld nicht haben, ein Pfund acht Shilling Sixpence insgesamt, werden Sie auf dem Bürgersteig stehen, und die Himmel werden Ihnen auf die Möbel tropfen.
    Mam kommt zurück nach Italien und setzt sich ans Feuer und fragt sich, wie sie denn bloß um Gottes willen die Miete für eine Woche auftreiben soll, von den Rückständen ganz zu schweigen. Eine Tasse Tee wäre jetzt schön, aber es ist nichts da, um das Wasser zu kochen, bis Malachy ein lockeres Brett von der Wand zwischen den beiden oberen Zimmern reißt. Mam sagt, na ja, jetzt ist es ab, da können wir es auch fürs Feuer kleinhakken. Wir kochen Wasser und nehmen den Rest vom Holz für den Morgentee, aber was ist mit heute abend und morgen und der gesamten Zukunft? Mam sagt, noch ein

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