Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Überstunden.
Sie drückt die Tür auf. Drinnen ist es dunkel, und es riecht feucht und süß im Zimmer. Es sieht aus wie die Küche, und gleich nebenan ist noch ein kleinerer Raum. Über dem Schlafzimmer ist ein kleiner Speicher mit einem Dachfenster, auf das der Regen trommelt. Überall sind Kartons, Zeitungen, Zeitschriften, Essensreste, Tassen, leere Dosen. Wir können zwei Betten sehen, die den gesamten Platz im Schlafzimmer einnehmen, ein Riesenbett, etwa so groß wie ein Kartoffelacker, und ein kleineres beim Fenster. Oma pikst in den Klumpen im großen Bett. Laman, bist du das? Steh auf, mach schon, steh auf.
Was? Was? Was? Was?
Es gibt Ärger. Angela wird mitsamt den Kindern vor die Tür gesetzt, und es schüttet aus den Himmeln herab. Sie brauchen einen kleinen Unterschlupf, bis sie wieder auf die Beine kommen, und ich habe keinen Platz für sie. Du kannst sie auf dem Speicher unterbringen, wenn du willst, aber gut wäre das nicht, weil die Kleinen noch nicht klettern können und vielleicht wieder runterfallen und dabei vielleicht ums Leben kommen, also ziehst du nach oben, und sie können hier unten einziehen.
Ist gut, ist gut, ist gut, ist gut.
Er hievt sich aus dem Bett, und es riecht nach Whiskey. Er geht in die Küche und zieht den Tisch an die Wand, damit er auf den Speicher klettern kann. Oma sagt, gut so. Ihr könnts heut nacht hier einziehen und brauchts euch morgen nicht rausschmeißen lassen.
Oma sagt Mam, sie geht jetzt nach Hause. Sie ist müde und durchnäßt, und sie ist ja schließlich keine fünfundzwanzig mehr. Sie sagt, man braucht keine Betten oder Möbel mitzunehmen, bei dem vielen Zeugs, das bei Laman Griffin herumsteht. Wir stecken Alphie in den Kinderwagen und packen den Topf, die Pfanne, den Kessel, die Marmeladengläser und Tassen, den Papst und zwei Nackenrollen um ihn herum. Wir hängen uns die Mäntel von den Betten über die Köpfe
und schieben den Kinderwagen durch die Straßen Mam sagt uns, wir sollen in der Gasse leise sein, sonst merken die Nachbarn, daß wir ausziehen mußten, und das ist dann eine Schande. Der Kinderwagen hat ein bockiges Rad, wodurch er immer kippelt und in alle möglichen Richtungen fährt. Wir versuchen, ihn gerade zu halten, und amüsieren uns prächtig, weil es bestimmt längst nach Mitternacht ist und Mam uns morgen sicher nicht in die Schule schickt. Wir ziehen jetzt so weit weg von Leamy’s Schule, daß wir vielleicht nie wieder hin müssen. Sobald wir die Gasse hinter uns gelassen haben, haut Alphie mit dem Löffel auf den Topf, und Michael singt ein Lied, das er in einem Film mit Al Jolson gehört hat, Swanee, how I love ya, how I love ya, my dear old Swanee. Da müssen wir sehr lachen, weil er versucht, wie Al Jolson mit einer tiefen Stimme zu singen.
Mam sagt, sie ist froh, daß es so spät ist und niemand auf der Straße, der unsere Schande sieht.
Sobald wir zu dem Haus kommen, nehmen wir Alphie und alles andere aus dem Kinderwagen, damit Malachy und ich zurück in die Roden Lane laufen können, um den Überseekoffer zu holen. Mam sagt, sie würde sterben, wenn dieser Koffer mit allem, was drin ist, verlorenginge.
Malachy und ich schlafen Kopf bei Fuß und Fuß bei Kopf im kleineren Bett. Mam nimmt das
große Bett, Alphie liegt neben ihr und Michael am Fußende. Alles ist feucht und vermodert, und Laman Griffin schnarcht über uns. Es gibt keine Treppe in diesem Haus, und das bedeutet, daß es nie einen Engel auf der siebten Stufe geben wird.
Aber ich bin dreizehn und werde vierzehn, und da ist man vielleicht zu alt für Engel.
Es ist noch dunkel, als morgens der Wecker lärmt, und Laman Griffin grunzt und schneuzt sich die Nase und hustet sich den Kram aus der Brust. Der Fußboden quietscht unter ihm, und als er eine Ewigkeit lang in sein Nachtgeschirr pißt, müssen wir uns die Mäntel in den Mund stopfen, um nicht zu lachen, und Mam zischt uns an, wir sollen still sein. Er brummt und grummelt über uns, bevor er herunterklettert, sich sein Fahrrad greift und mit Getöse zur Tür hinausgeht. Mam flüstert, die Luft ist rein, schlafts weiter. Heute könnts zu Hause bleiben.
Wir können nicht schlafen. Wir sind in einem neuen Haus, wir müssen pinkeln, und wir wollen alles erforschen. Das Klo ist draußen, etwa zehn Schritte von der Hintertür, unser eigenes Klo, mit einer Tür, die man zumachen kann, und einer richtigen Klobrille, auf der man sitzen und kleine Vierecke vom Limerick Leader lesen kann, die Laman Griffin
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