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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Er hebt den Türriegel, geht hinaus und zieht die Tür hinter sich zu.
     
     
    Mam sagt zu Bridey Hannon, Tage sind schlimm, aber Nächte sind noch schlimmer, und wird es je aufhören zu regnen? Sie versucht, sich die schlimmen Tage zu erleichtern, indem sie im Bett bleibt und Malachy und mich morgens Feuer anmachen läßt, während sie im Bett sitzt und Alphie mit Brot füttert und ihm die Tasse an den Mund hält, damit er Tee draus trinkt. Wir müssen hinunter nach Irland, um uns das Gesicht im Waschbecken unter dem Wasserhahn zu waschen und uns mit dem alten feuchten Hemd, das über der Stuhllehne hängt, versuchsweise abzutrocknen.
Dann müssen wir vor dem Bett antreten, damit sie sehen kann, ob wir noch einen Schmutzring um den Hals haben, und wenn ja, geht es zurück nach Irland zu Wasserhahn und feuchtem Hemd. Wenn in einer Hose ein Loch ist, flickt sie es mit jedem Lumpen, den sie finden kann. Wir tragen kurze Hosen, bis wir dreizehn oder vierzehn sind, und unsere langen Strümpfe sind immer voller Löcher, die gestopft werden müssen. Wenn sie keine Wolle zum Stopfen hat und die Strümpfe sind dunkel, können wir uns wegen der damit verbundenen Wohlanständigkeit die Fußknöchel mit schwarzer Schuhwichse einschmieren. Es ist schrecklich, mit einer Haut durch diese Welt zu wandeln, die sich durch die Löcher in unseren Strümpfen zeigt. Wenn wir sie Woche um Woche tragen, werden die Löcher so groß, daß wir den Strumpf nach vorn unter die Zehen ziehen müssen, so daß das Loch unter der Wade im Schuh verborgen ist. An Regentagen sind die Strümpfe so pitschnaß, daß wir sie abends vor den Kamin hängen müssen und hoffen, daß sie am Morgen trocken sind. Dann sind sie hart vor Schmutz, und wir haben Angst, sie über die Füße zu ziehen, weil sie zerbrechen und vor unseren Augen stückweise zu Boden poltern könnten. Wenn es uns mit viel Glück gelungen ist, die Strümpfe anzuziehen, müssen wir immer noch die Löcher in den Schuhen abdichten, und ich schlage mich mit
meinem Bruder, Malachy, um jedes bißchen Pappe oder Papier im Hause. Michael ist erst sieben, und er muß warten, ob etwas für ihn übrigbleibt, wenn Mam uns nicht vom Bett aus droht. Sie sagt, wenn ihr euerm Bruder nicht die Schuhe reparierts und ich aus diesem Bett aufstehen muß, dann setzt es einen bitteren Disput. Michael kann einem leid tun, denn er ist zu alt, um mit Alphie zu spielen, und zu jung, um mit uns zu spielen, und genau aus diesen Gründen kann er sich auch mit niemandem schlagen.
    Das übrige Anziehen ist leicht. Das Hemd, das ich im Bett anhatte, ist das Hemd, welches ich in der Schule tragen werde. Ich trage es tagein, tagaus. Es ist das Fußballhemd, das Kletterhemd, das Hemd zum Äpfelklauen. Ich gehe mit dem Hemd in die Messe und zur Bruderschaft, und die Menschen ziehen die Luft ein und setzen sich woandershin. Wenn Mam beim Hl. Vincent de Paul einen Gutschein für ein neues Hemd kriegt, wird das alte Hemd zum Handtuch ernannt und hängt monatelang feucht über dem Stuhl, oder vielleicht verwendet Mam Teile davon zum Flicken anderer Hemden. Vielleicht schneidet sie es auch klein und läßt es Alphie eine Zeitlang tragen, bevor es zusammengeknüllt und unten gegen die Tür gedrückt als Blockade gegen den Regen von der Gasse auf dem Fußboden endet.
    Wir gehen durch Gassen und Seitenstraßen
zur Schule, um nicht den hochachtbaren Jungs zu begegnen, die in die Schule der Christlichen Brüder gehen, oder den reichen Jungs, die auf die Jesuitenschule gehen, das Crescent College. Die Christlichen Brüderbuben tragen Tweedjacken, warme Wollpullover, Hemden, Schlipse und blankgewienerte neue Schuhe. Wir wissen, sie sind diejenigen, die Jobs im Öffentlichen Dienst kriegen und den Leute helfen werden, die die Welt regieren. Die vom Crescent College tragen Blazer und Schals in den Schulfarben um Hals und Schultern, damit man sieht, daß ihnen die Straße gehört. Sie haben lange Haare, die ihnen in die Stirn und über die Augen fallen, damit sie ihre Tolle mit einer stolzen Kopfbewegung zurückwerfen können wie die Engländer. Wir wissen, sie sind diejenigen, die zur Universität gehen werden, die die Firma des Vaters übernehmen werden, die die Regierung übernehmen werden, die die Welt regieren werden. Wir werden die Botenjungs auf Fahrrädern sein, die ihnen die Einkäufe an die Haustür liefern, oder wir werden nach England gehen, um auf den Baustellen zu arbeiten. Unsere Schwestern werden auf ihre Kinder aufpassen

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