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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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oder ihre Fußböden schrubben, wenn sie nicht selbst auch nach England gehen. Wir wissen das. Wir schämen uns, weil wir so aussehen, und wenn Jungens aus den reichen Schulen Bemerkungen machen, geraten wir in
eine Schlägerei und holen uns blutige Nasen oder zerrissene Klamotten. Unsere Lehrer werden für uns und unsere Schlägereien kein Verständnis aufbringen, weil ihre Söhne in die reichen Schulen gehen und, ihr habt kein Recht, die Hand gegen Menschen von Stand zu erheben, also laßt das gefälligst.
     
     
    Man weiß nicht, wann man nach Hause kommt und Mam bei der Feuerstelle mit einer Frau und einem Kind schwatzend antrifft, beide wildfremd. Immer eine Frau mit Kind. Mam findet sie, wenn sie durch die Straßen wandert, und wenn sie fragen, hätten Sie vielleicht ein paar Pennies, Miss? bricht ihr das Herz. Sie hat nie Geld, also lädt sie sie nach Hause zu Tee und gebratenem Brot ein, und wenn schlechtes Wetter ist, läßt sie sie beim Feuer auf einem Stapel Lumpen in der Ecke schlafen. Das Brot, das sie ihnen gibt, kriegen wir dann nicht, und wenn wir uns beschweren, sagt sie, es gibt immer Menschen, denen es noch schlechter geht, und ein bißchen können wir ja bestimmt von dem, was wir haben, entbehren.
    Michael ist genauso schlimm. Er bringt streunende Hunde und alte Männer mit nach Hause. Man weiß nie, wann man einen Hund bei ihm im Bett findet. Da gibt es Hunde mit offenen
Wunden, Hunde ohne Ohren, ohne Schwanz. Einmal war es ein blindes Windspiel, das er im Park gefunden hat, als es von Kindern gequält wurde. Michael hat die Kinder weggeboxt, sich das Windspiel geschnappt, das größer war als er selbst, und zu Mam gesagt, es kann sein Abendessen haben. Mam sagt, welches Abendessen? Wir haben Glück, wenn eine Scheibe Brot im Hause ist. Michael sagt ihr, der Hund kann sein Brot haben. Mam sagt, morgen muß der Hund weg, und Michael weint die ganze Nacht und weint noch schlimmer am Morgen, als er merkt, daß der Hund tot neben ihm im Bett liegt. Er will nicht in die Schule, weil er draußen, wo der Stall war, ein Grab graben muß, und er will, daß wir alle mitgraben und den Rosenkranz beten. Malachy sagt, es ist sinnlos, für einen Hund zu beten, woher weißt du, ob er überhaupt katholisch war? Michael sagt, natürlich war es ein katholischer Hund, hatte ich ihn etwa nicht in den Armen? Er weint so heftig über den Hund, daß Mam uns allen erlaubt, die Schule zu schwänzen. Darüber sind wir so froh, daß wir Michael bereitwillig bei seinem Grab behilflich sind und drei Ave-Maria sprechen. Aber wir sind nicht bereit, herumzustehen und einen guten schulfreien Tag damit zu vergeuden, daß wir für ein totes Windspiel den Rosenkranz aufsagen. Michael ist erst sechs, aber wenn er alte Männer mit nach Hause bringt,
schafft er es, das Feuer in Gang zu kriegen und ihnen Tee zu kredenzen. Mam sagt, es treibt sie in den Wahnsinn, wenn sie nach Hause kommt und diese alten Männer vorfindet, die beim Feuer aus ihrer Lieblingstasse trinken und murmeln und sich kratzen. Sie erzählt Bridey Hannon, daß Michael die Angewohnheit hat, alte Männer mit nach Hause zu bringen, die alle im Kopf schon ein wenig hinüber sind, und wenn er kein Brot für sie hat, klopft er bei den Nachbarn an die Tür und bettelt ganz schamlos. Schließlich sagt sie zu Michael, keine alten Männer mehr. Ein alter Mann hat uns Läuse dagelassen, und jetzt haben wir die Plage.
    Die Läuse sind ekelhaft, schlimmer als Ratten. Wir haben sie auf dem Kopf und in den Ohren, und sie sitzen in der Höhlung des Schlüsselbeins. Sie graben sich in unsere Haut. Sie setzen sich in den Nähten fest, und sie sind überall in den Mänteln, die wir als Bettdecken verwenden. Wir müssen jeden Zollbreit von Alphie untersuchen, denn er ist ein Baby und hilflos. Die Läuse sind schlimmer als die Flöhe. Läuse hocken und saugen, und durch ihre Haut können wir unser Blut sehen. Flöhe hüpfen und beißen, und sie sind sauber, und wir mögen sie lieber. Sachen, die hüpfen, sind sauberer als Sachen, die hocken.
    Wir sind uns alle einig, daß jetzt Schluß ist mit streunenden Frauen und Kindern, Hunden
und alten Männern. Wir wollen keine weiteren Krankheiten und Ansteckungen.
    Michael weint.
     
     
    Omas Nachbarin gleich nebenan, Mrs. Purcell, hat das einzige Radio in der Gasse. Die Regierung hat es ihr geschenkt, weil sie alt und blind ist. Ich will auch ein Radio. Meine Großmutter ist alt, aber nicht blind. Was hat eine Großmutter für einen Sinn,

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